Wie ein Neuköllner sich an die Luftbrücke erinnert
Thomas Trutschel/photothek.net
Damals, im Juni 1948, lebte der West-Berliner in der Allerstraße in Neukölln. Der Schillerkiez grenzt direkt an das Flugfeld Tempelhof an, Kulpok konnte die Piloten beim Landeanflug beobachten.
Bis heute erinnert sich der Sozialdemokrat und Journalist noch an die Nahrungsmitteltransporte aus der Luft, auch wenn er damals natürlich noch nichts von den Zusammenhängen, der Blockade-Politik wusste oder gar verstand. Dafür erinnert er sich aber an die Süßigkeiten, die die „Candy-Bomber“ abwarfen, wie sie auch genannt wurden. „Es gab Kaugummi, Cadbury-Schokolade, solche Sachen.“ Als er zuhause seine Hausaufgaben erledigte, flogen die Maschinen voll beladen über seinen Kopf hinweg.
Aus seiner Kindheit erinnert er sich noch: Brot war im zerstörten Berlin auch drei Jahre nach Kriegsende noch Mangelware. „Wir hatten es gut, weil wir engen Kontakt zu den Amerikanern hatten“, erinnert er sich. Seine Familie hatte bis Kriegsende einen jüdischen Musiker versteckt, daraus habe sich der Kontakt ergeben, deswegen war es ihm besser als anderen ergangen, vermutet er heute. „Ich konnte meinem Schulfreund aus dem Hinterhaus auch mal Brot schenken.“ Das führte sogar dazu, dass ihn ein älterer Schüler im Haus ansprach und ihm für ein Stück von seiner Stulle Geld geben wollte: „Für einen Groschen wollte er mir etwas davon abkaufen.“
Obst, Gemüse und Fleisch als Trockenfutter
Die Flugzeuge vom Typ Douglas DC-3 versorgten ab 1948 fast ein Jahr lang mit Kartoffeln, Fisch, Gemüse und vieles mehr. „Das gab es alles getrocknet“, erinnert sich der heute 80 Jahre alte Ur-Berliner. Sogar Kartoffelchips gab es in den Paketen. die die Maschinen beinahe im Minutentakt einflogen. „Aber auch Papier, um die Zeitungen drucken zu können“, ergänzt Kulpok, „genauso Versorgungsgüter wie Kohle und andere Brennmaterialien.“
Bei all den positiven Gedanken zur Luftbrücke sagt Kulpok heute rückblickend über die Folgen: „Das war das Jahr, als die Teilung zementiert wurde.“ Die Gründung der Bundesrepublik, der Nato in den folgenden Jahren – all das sei im Anschluss an die Berliner Blockade in Gang gekommen. Denn aus der Übereinkunft, die Blockade der geteilten Stadt aufzugeben – im beiderseitigem Einvernehmen, wie Kulpok betont – habe sich auch die Übereinkunft ergeben, dass die Siegermächte sich aus der Politik des jeweils anderen heraushalten.
Berliner Blockade als „Abenteuer“
Trotzdem blickt er positiv auf die Zeit zurück, als Neukölln von den Westmächten besetzt und über mehrere Monate aus der Luft versorgt wurde – der amerikanische Glaube an Verfassung und demokratische Grundrechte, das habe ihn bis heute geprägt. „Für uns in West-Berlin war das insgesamt ein großes Glück.“ Als Spielball der großen Weltmächte sei der Teil der Stadt als Vorzeige-Exemplar benutzt worden im Kalten Krieg. „Wir wurden gefördert, subventioniert“, sagt er. Ohne die Erfahrungen anderer Zeitzeugen schmälern zu wollen: Im amerikanischen Sektor sei es ihm gut gegangen. „Damals habe ich das als Kind nur als großes Abenteuer erlebt“, sagt er.
Auch 1948, das weiß Kulpok heute, seien die Deutschen aus Sicht der Amerikaner immer noch Nazis gewesen. „Das hat sich erst mit der Zeit gelockert“, meint Kulpok, der später als Journalist im Berlin des Kalten Kriegs arbeitete.
Alexander Kulpok wurde 1938 in Berlin geboren, wuchs in Neukölln auf, inzwischen wohnt er im Berliner Bezirk Reinickendorf. In die SPD trat er 1963 ein, später war er unter anderem Redenschreiber für Willy Brandt, arbeitete aber auch viele Jahre als Redakteur, Moderator und Autor, unter anderem für die ARD und den Radiosender SFB.
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