Wie August Bebel auf den Völkermord in Südwestafrika reagierte
Kaum mehr als 30 Jahre lang – von 1884 bis 1915 – war das deutsche Kaiserreich Kolonialmacht im heutigen Namibia, das damals den Namen „Deutsch-Südwestafrika“ trug. Doch diese Zeitspanne reichte aus, um ab 1904 den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts an den Herero und Nama zu verüben. Generalleutnant Lothar von Trotha befahl die völlige Vernichtung der Herero im Oktober 1904 und der Nama im April 1905. Schätzungsweise bis zu 100.000 Menschen wurden durch die deutschen Truppen ermordet, verdursteten in der Omaheke-Wüste oder starben in Konzentrationslagern. Etwa 80 Prozent aller Herero wurden dabei ermordet.
Die brutale Vorgehensweise der kaiserlichen Kolonialtruppen sorgten auch in der deutschen Öffentlichkeit für massive Kritik, wie eine Rede des damaligen SPD-Vorsitzenden August Bebel im Reichstag vom 30. Januar 1905 verdeutlicht. „Eine solche Kriegsführung kann jeder Metzgerknecht treiben, dazu braucht man nicht General oder höherer Offizier zu sein“, kritisierte Bebel.
Bebel: „Eine solche Kriegsführung kann jeder Metzgerknecht treiben“
Der Krieg gegen die Herero und Name werde mit großer Rücksichtslosigkeit geführt, sagte er. „Es ist in einem großen Teil der deutschen Presse erklärt worden, die Eingeborenen müssten vernichtet werden, nicht nur diejenigen, die Waffen tragen, aber getragen haben, sondern auch diejenigen, die keine Waffen getragen haben, nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen und Kinder, die ganze Rasse müsste mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden“, zitierte Bebel während seiner Rede im Reichstag.
Denn überall, wo Zivilisation herrsche, dürfe es nicht vorkommen, „dass man wehrlose Männer, auch wenn sie Waffen getragen haben, niederknallt. Da kann es nicht vorkommen, dass man Frauen und Kinder erbarmungslos niederknallt, wie es bei uns in Südwestafrika notorisch geschehen ist und es nach Ansicht einiger Fanatiker in Deutschland mit der ganzen Bevölkerung dort geschehen sollte“, machte der damalige SPD-Vorsitzende deutlich.
Wieczorek-Zeul entschuldigte sich als erste
Jahrzehntelang erkannte Deutschland den Völkermord an den Herero und Nama weder an noch bemühte es sich um dessen Aufklärung. Das änderte sich erst ab dem Jahr 2004, als die SPD-Politikerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nach Namibia reiste. Als erste deutsche Regierungsvertreterin entschuldigte sich die damalige Entwicklungsministerin anlässlich des 100. Jahrestages für die damaligen Kolonialverbrechen.
Anschließend dauerte es wiederum mehr als zehn Jahre, ehe Ende 2015 schließlich der offizielle Dialog zwischen Deutschland und Namibia zur Aufarbeitung der deutschen Verbrechen in der Kolonialzeit begann. Im Mai 2021 gab es schließlich eine Einigung. Der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, dass Deutschland die Ereignisse ab sofort als Völkermord bezeichnen werde. „Im Lichte der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands werden wir Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bitten", sagte Maas.
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ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo