Geschichte

Widerstandskämpfer Willy Brandt

von Birgit Güll · 13. Dezember 2013

Unter Nazis: Aus dem Exil reist Willy Brandt 1936 nach Berlin. Er will den Widerstand in Hitler-Deutschland unterstützen. Diesem waghalsigen Unternehmen widmet sich das Theaterstück „Willy100 – im Zweifel für die Freiheit“, das am Donnerstag im Neuen Stadthaus Berlin Premiere feierte.

Gunnar Gaasland. Unter diesem Namen reist Willy Brandt im Oktober 1936 nach Berlin. Aus dem norwegischen Exil kommt er ins nationalsozialistische Deutschland. Ein gefährliches Unterfangen für den 22-jährigen Studenten Brandt. Sein falscher Pass und ein aufgesetzter norwegischer Akzent sollen ihn schützen. Johann Jakob Wurster hat diese Episode im Leben Willy Brandts zu dem Theaterstück „Willy100 – Im Zweifel für die Freiheit“ verdichtet.

Ohne Pass im braunen Sumpf

Lorris Andre Blazejewski spielt den jungen Willy Brandt. Fünf weitere Darsteller lassen in wechselnden Rollen das Berlin des Jahres 1936 lebendig werden. Hitler ist seit fast vier Jahren an der Macht, gerade sind die Olympischen Spiele zu Ende gegangen. Die Kulisse für das Stück gibt das in den 1930ern erbaute Neue Stadthaus Berlin. So reichen dem Ensemble wenige Requisiten aus, um das Publikum in diese Zeit zu holen, in der es lebensgefährlich sein konnte, jemandem zu vertrauen.

Die Zuschauer erleben Brandt bei konspirativen Treffen und bei den tastenden, schwerfälligen Gesprächen mit seiner Vermieterin. Sie zitiert Rosa Luxemburg, doch kann der junge Mann ihr trauen, oder will sie ihn nur aushorchen? In dem braunen Sumpf aus überzeugten Nazis und willfährigen Helfern findet der junge Brandt keine Widerstandswilligen. Hochgefährlich wird seine Situation, als sein Pass von den Nazi-Behörden eingezogen wird. „Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen“, heißt es bei Bertolt Brecht. Er werde anerkannt, wenn er gut sei, „während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird“.

Brandts Kampf für die Demokratie

Wenn Brandts Pass als Fälschung auffliegt, droht ihm der Transport ins Konzentrationslager. Dort haben die Nationalsozialisten schon Menschen wie den Publizisten Carl von Ossieztky inhaftiert und misshandelt. Auf Druck des Auslandes – hier spielte Willy Brandt in Norwegen eine große Rolle – wurde Ossietzky kurz vor den Olympischen Spielen 1936 freigelassen, starb allerdings zwei Jahre später an den gesundheitlichen Folgen seiner Haft.

All das wird im Stück nur angedeutet, wie vieles nur angedeutet wird. Komik und Live-Gesang nehmen viel Raum ein, das verleiht dem Stück Schwung und Leichtigkeit – an manchen Stellen allerdings etwas zu viel. Etwa wenn Brandts Vermieterin mit Zyklon B hantiert, um das Haus sauber zu halten. Hier wirft der industrielle Massenmord an den Juden seinen Schatten voraus und das rasende Tempo passt dazu so wenig wie die komische Situation, wenn die Vermieterin einen der umstehenden Schauspieler abstaubt.

Und doch erreicht das Stück sein Ziel: Das Publikum bekommt Einblick in Brandts frühes und entschlossenes Engagement für Demokratie. „ Ohne diese Erfahrungen wäre er nicht zu dem Politiker geworden, der den Nobelpreis erhielt“, so Autor und Regisseur Johann Jakob Wurster. Dass über Brandts Aufenthalt im Berlin des Jahres 1936 so wenig bekannt ist, liegt auch daran, dass er selbst wenig über seine Vergangenheit erzählte. – Eine seiner Konsequenzen aus den Kampagnen der Konservativen, die den Exilanten Brandt als Verräter diffamierten.

Das Stück zum 100. Geburtstag von Willy Brandt ist auch ein Beitrag gegen das Vergessen. Die ausverkaufte Premiere machte am Donnerstagabend deutlich, wie groß das Interesse daran ist. Unter den Premierengästen von „Willy100 – im Zweifel für die Freiheit“ waren SPD-Chef Sigmar Gabriel und Manuela Schwesig, stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD.

Weitere Vorstellungen:

13.-15.12.2013; 17.12.-22-12.2013; 28.12.2013; 29.12.2013;

2.1-5.1.2014; 14.-15.1.2014

Alle Informationen unter www.willy100.de

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Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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