Geschichte

Was wir vom Ölpreis-Schock lernen müssen

Vor 45 Jahren setzten arabische Staaten ihr Öl zum ersten Mal als politisches Druckmittel ein. So kam es zum ersten autofreien Sonntag in Deutschland. Doch der Ölpreis-Schock war rasch vergessen. Heute werden Autos zu immer größeren Benzinfressern. Ob Macrons Dieselsteuer helfen wird, bleibt noch offen.
von Renate Faerber-Husemann · 21. November 2018
Khurmala - Oelfeld naehe Makhmour, Irak.
Khurmala - Oelfeld naehe Makhmour, Irak.

Die Älteren werden sich noch gut erinnern an den 25. November 1973. An diesem und drei weiteren Sonntagen im Dezember blieb es ruhig in den deutschen Städten. Keine Autos störten den Frieden. Die Straßen gehörten schlendernden Menschen und Radfahrern. Auf den Autobahnen rollte nicht der Verkehr, sondern fröhliche Familien auf Rollschuhen. Die Regierung Willy Brandt, die wegen der Ölkrise die autofreien Sonntage verordnet hatte, staunte selbst über die Reaktionen im Land: Keine Proteste gegen das neue Energiesicherungsgesetz, sondern volksfestähnliche Stimmung in den Städten und auf dem Land!

Öl als politisches Druckmittel

Dabei war der Hintergrund durchaus ernst. Zum ersten Mal hatten die arabischen Erdölexportierenden Staaten ihr Öl als politisches Druckmittel eingesetzt. Länder, die sich während des israelisch-arabischen Jom-Kippur-Krieges an die Seite Israels gestellt hatten, wurden mit einer künstlichen Verknappung der Erdöllieferungen bestraft. Bis zur Räumung der von Israel besetzten Gebiete in Ägypten und Jordanien sollten die Erdöllieferungen pro Jahr um 5 Prozent sinken, so die Drohung der arabischen Welt. Die betroffenen Länder beugten sich diesem Druck nicht und das Öl floss nun nicht mehr unbegrenzt. Dazu kamen deutliche Preissteigerungen. In Zahlen: 1974 gab die Bundesrepublik 23 Milliarden DM für Erdöl aus, das waren 153 Prozent mehr als 1973. Eine der Folgen: Die Benzinpreise stiegen auf über 70 Pfennige. Die Industrieproduktion sank um fast 8 Prozent. Die Arbeitslosigkeit, von der 1973 rund 273 000 Menschenbetroffen waren, stieg innerhalb von zwei Jahren auf fast eine Million Menschen.

Es war ein Schock im Wirtschaftswunderland. Um Energie einzusparen, blieb es bei Tempolimits,100 km/h auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen. Es gab weiterhin gemäßigte Sonntagsfahrverbote, mal durften Autos mit geraden Zahlen auf dem Nummernschild fahren, dann wieder die mit ungeraden Zahlen. Die Abgabemengen für Benzin wurden rationiert, was immer wieder zu Streit an den Tankstellen führte, weil Stammkunden bevorzugt wurden. Was heute kaum noch jemand weiss: Damals, auch das eine Folge des Ölpreisschocks, wurden Sommer- und Winterzeit eingeführt. Und die Regierung beschloss den Bau von 40 Atomkraftwerken, eine Fehlentscheidung, wie sich bald herausstellte, die bei der Bevölkerung nicht durchgesetzt werden konnte.

Das Umdenken blieb eine Illusion

Natürlich konnten ein paar Sonntage ohne Autoverkehr, Sprit-Rationierungen und die bald heftig steigenden Benzinpreise nicht die Abhängigkeit vom Öl mindern. Doch man erhoffte sich ein Umdenken bei den Menschen. Das aber blieb eine Illusion. Das Auto war und blieb der Deutschen liebstes Spielzeug. Dauerhafte Tempobegrenzungen auf Autobahnen und Landstraßen? Keine deutsche Regierung wagte sich nach dem Ende der Ölkrise an solche Einschnitte, die in zahlreichen Ländern selbstverständlich sind. Die europäischen Nachbarn schütteln die Köpfe über diese Deutschen, die auf ihren Autobahnen ohne Tempolimit rasen dürfen, bis sie vom nächsten Unfall, dem nächsten Stau oder der nächsten Baustelle ausgebremst werden. Die Autos werden immer größer – und damit immer größere Benzinfresser, obwohl wir alle wissen, dass die Ölvorräte endlich sind und der Autoverkehr die Luft in den Städten verpestet, immer mehr Menschen krank macht. Und nicht die Politik, sondern die Gerichte sorgen inzwischen durch Fahrverbote und strenge Tempo-Limits für Abhilfe.

In Frankreich scheint die Regierung mutiger zu sein. Durch eine neue CO2-Abgabe kostet der Liter Sprit nun fast zwei Euro. Mit den hohen Steuern vor allem auf Diesel sollen künftig umweltfreundlichere Verkehrsmittel finanziert werden, so das Versprechen von Präsident Macron. Ob er sich trotz der heftigen Proteste durchsetzen wird, ist derzeit noch offen, ob andere europäische Länder nachziehen, ebenfalls.

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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