Warum SPD-Gründer Ferdinand Lassalle mit nur 39 Jahren stirbt
Carouge ist heute eine Gemeinde mit rund 20.000 Einwohner*innen vor den Toren Genfs in der Schweiz. Für die Geschichte der Sozialdemokratie spielt sie trotzdem eine entscheidende Rolle. Denn hier trägt sich ein verhängnisvolles Ereignis zu, das dafür sorgt, dass einer der Gründerväter der SPD mit gerade einmal 39 Jahren ums Leben kommt. Am Morgen des 28. August 1864 tritt Ferdinand Lassalle um 7.30 Uhr zum Duell an. Einem Ritual, das in England zu dieser Zeit schon außer Mode geraten, in Kontinentaleuropa aber noch durchaus üblich ist.
Duell um 7.30 Uhr
Der Zweikampf mit tödlichen Waffen gilt in Deutschland noch mehr als 100 Jahre nach Lassalles Tod als „Sondertatbestand mit geringerer Strafandrohung“. Erst die vom sozialdemokratischen Justizminister Gustav Heinemann im Jahr 1969 durchgesetzte Strafrechtsreform sorgt dafür, dass das Duell im deutschen Strafrecht nicht mehr gesondert behandelt wird. Lassalles Duell mi dem rumänischen Adeligen Janko von Racowitza kommt durch seine eigene Initiative zustande.
Denn Lassalle will Helene von Dönniges heiraten, eine junge Frau, in die er sich während eines Kuraufenthaltes verliebt hatte. Ihr Vater ist jedoch dagegen, woraufhin die Tochter die Verlobung mit Lassalle wieder löst. Dieser verlangt Satisfaktion und fordert den Vater zum Duell auf. Der Vater beauftragt den von ihm gewünschten Verlobten, Janko von Racowitza, mit dem Duell. Dieser trifft Lasalle mit einem durch eine Pistole abgefeuerten Schuss in den Unterlieb, woraufhin der Sozialdemokrat drei Tage später seinen Verletzungen erliegt.
Delegierte aus elf Städten wählen Lassalle
Letztlich ist es vermutlich nicht frei von Ironie, dass ein Mann mit solch fortschrittlichen Ideen sein Leben bei einem solch antiquierten und antifeministischen Ritual verliert. Nur ein Jahr zuvor, am 23. Mai 1863, hatte Lassalle in Leipzig gemeinsam mit Delegierten aus elf deutschen Städten – Leipzig, Hamburg, Harburg, Köln, Düsseldorf, Elberfeld, Barmen, Solingen, Frankfurt am Main, Mainz und Dresden – den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) gegründet. Es gilt bis heute als das Gründungsdatum der SPD.
Lassalle hatte zuvor im März 1863 in einem Brief geschrieben: „Der Arbeiterstand muss sich als selbstständige politische Partei konstituieren.“ Er fordert das allgemeine und gleiche Wahlrecht und die Vertretung des Arbeiterstandes in den gesetzgebenden Körperschaften Deutschlands. Zudem sollen die Genossenschaften vom Staat gefördert werden. Arbeiter sollen zu Unternehmern werden. Schließlich wird Lassalle im Mai in Leipzig zum Präsidenten für zunächst fünf Jahre gewählt.
1869: Gründung der zweiten Arbeiterpartei
Nach dem Tod Lassalles mehrt sich die Kritik am ADAV. Es gebe zu wenig innerparteiliche Demokratie und zu wenig Nähe zu den Gewerkschaften, heißt es von Seiten der Kritiker*innen. Zudem monieren sie, dass der ADAV eine kleindeutsche Lösung zur Gründung eines deutschen Staates unterstützt. Daher kommmt es am 8. August 1869 in Eisenach zu Gründung einer zweiten sozialdemokratischen Partei, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), an der der 29-jährige Drechslermeister August Bebel und der 43-jährige Publizist Wilhelm Liebknecht maßgeblich beteiligt sind.
Bis zu ihrer Vereinigung in Gotha sechs Jahre später konkurrieren ADAV und SDAP somit fortan um die Vorherrschaft innerhalb der Arbeiterschaft.
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ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo