Warum sich USPD und KPD vor 100 Jahren zusammenschlossen
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Der Oktober 1920 wurde zu einem Schlüsselmonat für die Entwicklung der demokratischen Linken in der Weimarer Republik. Nach der Parteispaltung hatte sich die MSPD unter ihren Führern Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann behauptet. Sie war die gestaltende Kraft in der Revolutionszeit 1918/19 gewesen und hatte ihren Kurs für eine parlamentarische Demokratie durchsetzen können; auch in dem Kampf für den frühen Wahltermin zu einer Nationalversammlung, die über die zukünftige Verfassung des Deutschen Reiches entscheiden sollte.
Die MSPD behauptet sich
Die Unabhängigen Sozialdemokraten, die zunächst nur gegen die fortgesetzte Politik der Bewilligung von Kriegskrediten protestiert hatten, konnten sich nach ihren Ausschlüssen aus der Reichstagsfraktion als Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) konstituieren. Die Spaltung zerriss viele Ortsvereine, es entstanden Hochburgen der USPD, doch im Zeitverlauf wurde deutlich, dass die USPD die MSPD nicht überholen würde. Die USPD beteiligte sich an der Revolutionsregierung des Rats der Volksbeauftragten, schied aber Ende 1918 wegen politischer Differenzen aus dieser Übergangsregierung aus. Zu diesem Zeitpunkt wanderten Teile ihres linken Flügels zur Neugründung Kommunistische Partei Deutschlands um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.
Bei der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 blieb das Ergebnis der USPD mit 7,6 Prozent unter ihren Erwartungen. Die MSPD erreichte weniger als erhofft, doch mit 37,9 Prozent konnte in der Nationalversammlung nicht gegen sie entschieden werden, doch zur Mehrheit wurde die Unterstützung von bürgerlichen Parteien benötigt. Wenig umstritten war die Wahl von Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten sowie die Bildung einer SPD-geführten Reichsregierung unter Philipp Scheidemann. Die USPD beteiligte sich nicht an der Regierung, sie wird zudem durch ein Attentat auf ihren Vorsitzenden Hugo Haase geschwächt, das dieser nicht überlebte.
MSPD und USPD retten die junge Republik
Im ersten Regierungsjahr taumelte diese erstmals von Sozialdemokraten geführte Reichsregierung von Krise zu Krise: gewaltsame Bildung von Räterepubliken, Niederschlagung von Aufständen, Kämpfe in den Grenzgebieten zu Polen, Auseinandersetzungen über die Annahme des Friedensvertrages von Versailles, der Ruhrkampf, anwachsende Differenzen mit den Offizierskorps des von Demobilisierung erfassten Kaiserlichen Heeres, die in den Kapp-Putsch am 13. März 1920 mündeten. Diesen ersten Versuch, die junge Republik zu stürzen, stoppte der entschiedene Widerstand aus MSPD und USPD, vor allem gestützt auf die sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaften.
Der konservativ-nationalistisch-monarchistische Angriff des Kapp-Putsches scheiterte zwar total, doch der erwartete Umbau der Republik, die Ausschaltung ihrer Gegner scheiterte ebenso. Die Sozialdemokraten hatten Kapp mit seinen Anhängern ausgeschaltet, doch sie vermochten nicht, der Republik eine neue Orientierung zu geben. Die Quittung erhielt die MSPD bei der Reichstagswahl am 6. Juni 1920. Die rechten Parteien gewannen. Die MSPD verlor 61 Mandate, die USPD gewann 59 Mandate hinzu. Die MSPD verfügte noch über 102 Mandate, die USPD über 81. Der Zentrumspolitiker Constantin Fehrenbach bildete eine Regierung ohne Beteiligung der MSPD.
Zwei Parteitage, zwei Stimmungen
Es überrascht, dass der MSPD-Parteitag, der am 10. Oktober in Kassel begann, die schweren Niederlagen in politischer Routine behandelte. Die Diskussion über die Ursachen des politischen Absturzes der MSPD, der auch bei einigen Landtagswahlen zu spüren war, wurde vermieden. Routinen beherrschten den Parteitag. Völlig verschieden war die Lage auf dem ab 12. Oktober in Halle stattfindenden Parteitag der USPD, die sich nach dem Wahlerfolg im Aufwind fühlte. Den Parteitag bestimmte jedoch nicht die deutsche Politik, sondern die mögliche Bindung der USPD an die im Aufbau befindliche Kommunistische Internationale.
Waren die USPD-Gründer in der Ablehnung der Kriegskredite noch einig gewesen, so schwand die gemeinsame Linie in der Revolutionszeit und im ersten Jahr der neuen Republik. Während ein Teil der Parteiführung zu einer Regierungsbeteiligung bereit war, hielt ein Teil an der Ablehnung der parlamentarischen Republik fest, vertrat weiterhin die Lehre der Räterepublik, auch in der Gewerkschaftsfrage bestanden Differenzen. Ein entwickeltes Rätesystem sollte die Gewerkschaften als Organisation überflüssig machen.
Mit der beginnenden Konsolidierung in der Sowjetunion begann zudem die Werbung der KPdSU für eine weltumspannende Kommunistische Internationale, die mit dem Zentrum in der Sowjetunion alle kommunistischen und linkssozialistischen Parteien vereinigen wollte, um ein schlagkräftiges revolutionäres Zentrum zu schaffen. Jede beitrittswillige Partei musste jedoch 18 Beitrittsbedingungen erfüllen.
Streit um den Beitritt zur Kommunistischen Internationale
In der USPD gab es Sympathien für den Beitritt, sodass eine Delegation in Moskau über die Bedingungen verhandelte. Die Moskauer Linie war eindeutig: Unterwerfung unter die politischen Vorgaben der KPdSU, Ausschluss der Parteiführer, die als Skeptiker oder Gegner der bolschewistischen Linie angesehen wurden. Rücksichtsloser Kampf gegen den Reformismus in der Arbeiterbewegung. Um den Druck auf die USPD noch zu verschärfen, wurden die Ursprungsbedingungen auf 21 erhöht.
Es überrascht, dass ein Teil der USPD-Führung diese Bedingungen akzeptierte, während in der Parteibasis die Zustimmung fehlte. Erst eine geschickte Kampagne des linken USPD-Flügels, der den Aufbau der Sowjetunion als Zukunftsmodell darstellte, änderte die Zustimmung unter den Delegierten des USPD-Parteitages, der am 12. Oktober in Halle begann.
In einem mehrstündigen Rededuell wurde die Abstimmung vorbereitet. Für das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI) sprach Grigori Sinowjew, ihm antworteten ablehnend Rudolf Hilferding und Arkadi Maslow. Aus der Parteiführung sprachen sich Arthur Crispien und Wilhelm Dittmann gegen den Beitritt aus, Ernst Däumig und Walter Stoecker dafür. In der Schlussabstimmung stimmten 237 Delegierte für den Beitritt, 156 Delegierte dagegen. Die unterlegene Minderheit verließ den Parteitag und setzte ihn in einem anderen Lokal fort.
Die KPD wuchs zur Massenpartei
Mit dem Parteitag in Halle begann der Abstieg der USPD als linkssozialistische Partei neben der MSPD. Die USPD hatte bis dahin 894.000 Mitglieder, sie verfügte über 60 Parteizeitungen. Ihre Reichstagsfraktion hatte 81 Mandate, sie war in zahlreichen Landtagen und Kommunalparlamenten vertreten. Unmittelbar schlossen sich 300.000 Mitglieder der KPD an, ebenso viele verblieben in der USPD. Der Rest ging in den Spaltungskämpfen verloren. Die KPD, die bis dahin eine mitgliederarme Sekte gewesen war, wuchs durch diesen Mitgliederschub zu einer Massenpartei.
Die Rest-USPD begann Gespräche mit der MSPD, die 1922 zum Vereinigungsparteitag in Nürnberg führten. Die 1914 begonnene Spaltung der sozialdemokratischen Bewegung erfuhr mit dem Vereinigungsparteitag eine begrenzte Heilung. Die fortbestehenden Differenzen mit der erstarkten KPD, die dem politischen Diktat der KPdSU unterlag, schwächten die politische Linke jedoch im weiteren Abwehrkampf mit der politischen Rechten und schließlich mit den Nationalsozialisten. Sie förderten die Niederlage der politischen Linken 1933.
war von 1975 bis 1976 Politikberater für die sozialistische Partei im revolutionären Portugal. Als Mitglied des Europäischen Parlamentes war er Vorsitzender des Ausschusses für den Beitritt Portugals zur Europäischen Gemeinschaft.