Warum die SPD Niedersachsen besonders verbunden ist
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Die „Geburtsurkunde“ trug die Nummer 55. Mit Verordnung Nummer 55 verfügte die britische Militärregierung nach dem Zweiten Weltkrieg den Zusammenschluss der bisherigen Länder Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe zu einem neuen Bundesland. Am 1. November 1946 erblickte so Niedersachsen das Licht der Welt.
„Das Zusammenwachsen wird schnell vonstattengehen“
Von einem Kunstgebilde wollte der hannoversche Ministerpräsident und ab 1947 erste Landesvater von Niedersachsen, der SPD-Politiker Hinrich Wilhelm Kopf, dennoch nicht sprechen. Niedersachen sei „durch seine gleichartige Struktur, Tradition und wirtschaftliche Geschlossenheit ein organisch gewachsenes zusammenhängendes Ganzes“. Vom Erfolg des Zusammenschlusses zeigte sich Kopf überzeugt: „Das Zusammenwachsen aller Teile unseres Landes wird schnell und reibungslos vonstattengehen.“
70 Jahre später kann man mit Fug und Recht sagen, dass Kopf mit seiner Vorhersage recht behalten hat. Zwar hakte es in den ersten Jahren hier und da, doch regionale Unterschiede spielen heute höchstens im Fußball eine Rolle wenn Hannover 96 gegen Eintracht Braunschweig spielt.
Kaderschmiede für SPD-Größen
Für die SPD hat das Land zwischen Harz und Nordsee bereits vor seiner Gründung eine wichtige Rolle gespielt. Noch vor Kriegsende wurde Kurt Schumacher in Hannover zum dortigen Parteivorsitzenden gewählt. Ein paar Kilometer entfernt wurden im Herbst 1945 im Örtchen Wennigsen die Weichen für die Wiedererrichtung der Parteistrukturen gestellt, die Schumacher in den folgenden Jahren von Hannover aus koordinierte.
Auch die niedersächsische Staatskanzlei diente als Kaderschmiede für SPD-Größen. Das Wirken des ersten Landesvaters Hinrich Wilhelms Kopf blieb zwar auf Niedersachsen beschränkt. Doch sendete er von hier wichtige Impulse auch in die Bundespolitik. Sein späterer Nachfolger Georg Diederichs – Ministerpräsident von 1961 bis 1970 – trieb die Bildungspolitik in Niedersachsen voran – und profilierte sich früh als Gegner der Atompolitik.
Von der absoluten Mehrheit zur Kanzlerkandidatur
Der wohl bekannteste Ministerpräsident Niedersachsens war aber sich Gerhard Schröder. Vier Jahre hatte er als Oppositionsführer im Landtag hinter sich, ehe er 1990 Regierungschef wurde. Die Landtagswahl im Frühjahr 1998 geriet zu einer Vorwahl für die Bundestagswahl: Nachdem Schröder am 1. März die absolute Mehrheit für die SPD geholt hatte, erklärte der damalige Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering noch am Wahlabend, dass Schröder als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen werde.
Schröders Büro- und späterer Leiter der niedersächsischen Staatskanzlei war in dieser Zeit Frank-Walter Steinmeier. Er wurde nach Schröders Rückzug aus der Politik im Herbst 2005 Bundesaußenminister, 2009 selbst Kanzlerkandidat der SPD und nach der Bundestagswahl 2013 erneut Außenminister. Zurzeit wird er als möglicher Bundespräsident gehandelt.
Gabriel: „Niedersachsen ist meine Heimat“
Mit im Kabinett saß zwischen 2005 und 2009 auch Sigmar Gabriel. Der gebürtige Goslarer war zwischen 1999 und 2003 niedersächsischer Ministerpräsident. Nach der Bundestagswahl 2005 wechselte er in die Bundespolitik und wurde Umweltminister. Seit 2009 ist Gabriel Vorsitzender der SPD, seit 2013 Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler. Niedersachsen fühlt er sich noch immer sehr verbunden: Mit seiner Familie wohnt er in Goslar. „Für mich ist Heimat kein altmodischer Begriff“, sagt Gabriel. „Mir ist Heimat wichtig. Und meine Heimat ist Niedersachsen.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.