Vor 75 Jahren: Vorwärts-Redakteur Eugen Prager in Riga ermordet
Am 25. Januar 1942 treten Eugen Prager und seine Frau Prager vom Bahnhof Grunewald aus ihre letzte Reise an. Sie endet am 30. Januar nach fünf bitterkalten Tagen im offenen Viehwaggon in Riga. Unmittelbar nach der Ankunft werden Eugen und Gertrud Prager von deutschen Kriegsverbrechern erschossen. Vor dem Haus in der Kaiserin-Augusta-Straße 85 in Berlin-Charlottenburg erinnern zwei Stolpersteine an Eugen und Gertrud Prager.
Eugen Prager: zwischen SPD und USPD
In der deutschen Sozialdemokratie ist Eugen Prager zwar kein unbeschriebenes Blatt, aber ein abgelegtes. In der „Chronik der deutschen Sozialdemokratie“ wird Eugen Prager lediglich mit einem Eintrag erwähnt. Für den 27. März 1922 ist vermerkt: „Die Redaktion der „Freiheit“ tritt zurück. Dazu gehören Hilferding, Hertz, Eugen Prager, Felix Stoessinger, Schwarzkopf.“ Die „Freiheit“ ist das alsbald auslaufende Zentralorgan der USPD und Eugen Prager dessen wichtigster Redakteur.
Geboren am 31. Mai 1876 im schlesischen Örtchen Bosatz, wächst Eugen Prager in Breslau auf, wo sein Vater in einem Geschäft für Herrenoberbekleidung arbeitet. Das Elternhaus ist liberal-jüdisch geprägt. Der wissbegierige Knabe kann aus finanziellen Gründen „nur“ die Mittelschule besuchen und absolviert nach deren Abschluss eine Handlungsgehilfenlehre. Seinen Wissensdurst stillt er autodidaktisch.
Sozialdemokratie als Heimat
Nach Beendigung seines Militärdienstes kehrt Eugen Prager nach Breslau zurück, wo er sich verlassen vorkommt. An den von ihm verehrten Karl Kautsky schreibt er viele Jahre später: „Ich fand Anschluss an die Partei, ich verschlang alles Gedruckte, das mit Sozialismus zusammenhing“. Prager hatte, wie viele andere seiner Generation, seine „Heimat“ gefunden: in der Sozialdemokratie. Am 11. April 1904 beginnt Eugen Prager seine Arbeit als Theaterkritiker für die „Breslauer Volkswacht“. Wie viele andere sozialdemokratische Journalisten jener Jahre muss er sich quasi autodidaktisch in das Metier des Schreibens einarbeiten.
Ende 1905 lernt Eugen Prager in Breslau Frieda Orchudesch kennen, eine radikale, aus gutem Hause stammende Sozialistin, mit der alsbald eine ehelich-politische Lebensgemeinschaft bildet. Von 1906 bis 1914 geht Eugen Prager auf journalistische Wanderschaft. Zunächst arbeitet er als Redakteur für das „Offenbacher Abendblatt“. Ein Jahr später übersiedelt er nach Köln, wo er Redakteur der legendären „Rheinischen Zeitung“ wird und vor allem als „Gerichtsreporter“ arbeitet.
Er gewinnt Luxemburg und Kautsky als Autoren
1911 wird Eugen Prager Chefredakteur der Erfurter Parteizeitung „Tribüne“. In Erfurt leitet er mit kürzeren Artikeln und zweizeiligen Überschriften die Modernisierung des Blattes ein. Überdies positioniert er die „Tribüne“ dezidiert „links“ und gewinnt Autorinnen und Autoren, wie Rosa Luxemburg und Karl Kautsky.
Im April 1914 steigt Eugen Prager in den sozialdemokratisch-publizistischen Olymp auf und wird stellvertretender Chefredakteur des „sozialistischen Weltblattes“ „Leipziger Volkszeitung“. Als im April 1917 die USPD gegründet wird, tritt die Leipziger SPD nahezu geschlossen zur neuen Partei über, und die „Leipziger Volkszeitung wird zum informellen Parteiorgan der USPD.
Der rote Bruderkrieg in Deutschland
Nach der Novemberrevolution gründet die USPD in Berlin die „Freiheit“ als offizielles Parteiorgan. Eugen Prager wird am 1. Mai 1919 Redaktionsmitglied, gehört aber zur Minderheit von Redakteuren, die sich gegen die absehbare Hinwendung der Mehrheit zur „Kommunistischen Internationale“ und zur KPD wenden. Die Spaltung der USPD auf dem Parteitag in Halle im Oktober 1920 lässt auch in Eugen Prager die Einsicht reifen, dass die Restpartei keine Zukunft mehr hat. Diese Erkenntnis fließt in die „Geschichte der USPD“ ein, die Prager 1921 veröffentlicht. Das Buch ist im Kern eine Geschichte der Entfernung von und der späteren Wiederannäherung an die Mehrheits-Sozialdemokratie.
Am 2. Oktober 1924 debütiert er als Leitartikler des „Vorwärts“ und macht sich für den Abbau von Zollschranken und die enge Zusammenarbeit der europäischen Demokratien stark. Ende 1924 wird Eugen Prager als Sekretär der SPD-Reichstagsfraktion deren „Pressesprecher“. 1928 übernimmt er zusätzlich die Chefredaktion des „Abend“, der massentauglich aufgemachten Spätausgabe des „Vorwärts“ und überrascht mit dem Abdruck eines Fortsetzungsromans: B. Travens „Der Schatz der Sierra Madre“. Ab 1932 verfasst Eugen Prager massenhaft verbreitete Pamphlete gegen die Nazis. Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 endet Eugen Pragers berufliche Karriere. Seine Wohnung wird von Nazi-Schergen verwüstet. Notdürftig hält er sich und seine Familie mit einem Presseausschnittbüro über Wasser.
Briten verweigern Einwanderung in Palästina
Mitte der 1930er Jahre schicken Eugen und Gertud Prager ihre drei Kinder nach Palästina. Einmal, 1937 reisen sie selbst dorthin, um die mögliche Auswanderung zu sondieren. Ihre Chancen sind wegen der britischen Einwanderungsbestimmungen äußerst gering. Resigniert schreibt Eugen Prager vor der Rückreise nach Berlin: „Meinen Weg gehe ich mit allen Konsequenzen in Deutschland weiter“. Der Weg endet mit dem Abtransport aus Berlin in den Tod am 25. Januar 1942.
node:vw-infobox