Geschichte

Vor 20 Jahren: Als die Energiewende Gesetz wurde

Am 1. April 2000 trat das Errneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft. Deutschland wurde damit weltweit zum Vorreiter bei der Technologie der Erneuerbaren Energien. Eine Rolle, die in den letzten Jahren leider verspielt wurde.
von Michael Müller · 1. April 2020
Vor 20 Jahren trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft. Strom aus Wind, Wasser und Sonne hat seither Vorfahrt im Netz.
Vor 20 Jahren trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft. Strom aus Wind, Wasser und Sonne hat seither Vorfahrt im Netz.

Drei wichtige Daten der Energiewende, die in unserem Land den Boom der Erneuerbaren Energien ausgelöst haben, erreichen 2020 eine runde Jahreszahl. Das ist Anlass für Rückblick, Reflexion und Ausblick.

  • Vor 40 Jahren veröffentlichte das Öko-Institut 1980 die mit konkreten Fakten untermauerte Studie Energiewende. Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran. Sie löste die Debatte über eine neue Energiepolitik aus und ging weit über die Förderung der Erneuerbaren Energien hinaus.
  • Vor 30 Jahren wurde 1990 das Stromeinspeise-Gesetz zur Förderung von Erneuerbaren Energien vorgelegt, die damals nur einen Anteil von 3,4 Prozent an der deutschen Stromversorgung hatten. In demselben Jahr begann mit dem „1.000-Dächer-Solar-Programm“ der gezielte Ausbau der Photovoltaik.
  • Vor 20 Jahren wurde am 1. Februar 2000 von der damals rot-grünen Mehrheit das Stromeinspeise-Gesetz durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ersetzt und zudem das nunmehr auf 100.000-Dächer erweiterte Solar-Programm durch zinsgünstige Kredite gefördert. Das EEG trat am 1. April 2000 in Kraft.

Zur Vorgeschichte: Mitte der 1970er Jahre, nach Sonntagsfahrverboten und dem massiv zunehmenden Widerstand gegen die Atomenergie, an dessen Anfang die Besetzung des geplanten AKW-Bauplatzes Whyl am Kaiserstuhl im Breisgau stand, begann ein intensives Nachdenken über alternative Formen der Energiebereitstellung. Vorreiter der Debatte war Amory Lovins, der 1977 seine Studie „Sanfte Energie“ veröffentlichte. Er wollte mit Hilfe einer wesentlich effizienteren Energienutzung – genannt Effizienzrevolution – und mit dezentralen Strukturen, in Deutschland vor allem durch die Neuorganisation der Stadtwerke (Energiedienstleistungsunternehmen), den Ausstieg aus der Atomenergie, eine massive Reduktion der Energiebereitstellung und eine Demokratisierung des Energiesektors erreichen.

Eine bahnbrechende Studie des Öko-Instituts

In Freiburg wurde 1977 das Öko-Institut, das aus der Anti-Atombewegung hervorging, gegründet. Es wollte nicht nur mit fachlich fundierten Studien das Deutungsmonopol der etablierten Wissenschaft aufbrechen, sondern auch konkrete Alternativen aufzeigen. Das Öko-Institut machte sich schnell einen Namen mit Erfolgen gegen umweltgefährdende Atom- und Industrieanlagen und vor allem mit der Energiewende. Das Öko-Institut war davon überzeugt, dass es nach den Ölpreiskrisen, den gesundheitlichen Gefahren der Luftverschmutzung und der Erkenntnis von den Risiken eines atomaren GAUs zu einer grundlegenden Neuordnung der Energieversorgung kommen muss.

Bahnbrechend für eine neue, ökologisch ausgerichtete Energiepolitik in Deutschland war die durch Mitgliederspenden finanzierte Studie „Energiewende“ des Öko-Instituts von 1980 über den Atomausstieg und das Potenzial alternativer Energiekonzepte, vorgelegt von Florentin Krause, Hartmut Bossel und Karl-Friedrich Müller-Reissmann. Dieses konkrete Szenario fand eine starke öffentliche Resonanz. Das Öko-Institut etablierte sich als wichtiger umweltpolitischer Akteur.

1985 folgte die 2. Studie zur Energiewende „Für eine neue Energiepolitik der Kommunen“ mit den Schwerpunkten Least-cost-planing als Unternehmensstrategie und Rekommunalisierung der Energiewirtschaft. Die Energiewende-Studien bekamen viel Zuspruch auch in den beiden Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages „Zukünftige Kernenergiepolitik“ und „Schutz der Erdatmosphäre“. Auch die Klima-Enquete legte bereits 1990 ein konkretes Reduktions- und Wendeszenario für Treibhausgase vor. Obwohl die Vorschläge der Kommission einstimmig im Bundestag beschlossen wurden, blieben sie weitgehend Papier. Wäre ihnen und der aufgezeigten Strategie gefolgt worden, hätten wir heute bei den klimaschädlichen Treibhausgasen ein Minus von rund 65 Prozent. Leider ist das nicht passiert.

Entscheidende Impulse aus dem Bundestag

Dennoch blieben die Ideen und Konzepte nicht folgenlos. Die Impulse für die Energiewende, besonders für die Förderung der Erneuerbaren Energien, kamen allerdings in erster Linie aus dem Bundestag. Treibende Kräfte für das Stromeinspeise-Gesetz waren die Bundestagsabgeordnete Matthias Engelsberger und Wolfgang Daniels sowie für die Förderung von Solardächern Hermann Scheer. Das EEG erarbeiteten maßgeblich für die SPD Hermann Scheer und Dietmar Schütz und für die Bündnisgrünen Hans-Josef Fell und Michaela Hustedt. In dieser Zeit wurde Deutschland weltweit zum Vorreiter bei der Technologien der erneuerbaren Energien. Eine Rolle, die in den letzten Jahren leider verspielt wurde.

Mit dem EEG wurden die Netzbetreiber verpflichtet, die Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Strom in das Netz einzuspeisen, selbst wenn dafür das Netz ausgebaut und verstärkt werden muss. Für den vorrangig abzunehmenden Erneuerbaren Strom muss über eine bestimmte Zeit eine festgelegte Vergütung gezahlt werden, die aber im Laufe der folgenden Jahre immer wieder geändert wurde.  So hat z.B. die schwarz-gelbe Bundesregierung die Vergütung von Strom aus Photovoltaik zweimal außerplanmäßig herabgesetzt. Auch hat sie eine Abstandsregelung und Deckelung bei der Windkraft eingeführt, die zum großen Bremser wurden.

Ausnahmen bremsen die Energiewende

Der Anteil der Erneuerbaren Energien könnte heute sogar deutlich höher liegen, wäre er nicht gebremst und der Ausbau der Infrastruktur nicht vernachlässigt worden. Auch wurden immer neue Sonderregelungen, Ausnahmen und Befreiungen von der Umlage geschaffen, die oftmals nicht gerechtfertigt sind, sondern Ergebnis des Lobbyismus von Industrie und Landwirtschaft. Dabei können die Kosten im Vergleich zu den konventionellen Energieträgern schon lange mithalten, sie teilweise sogar unterbieten. Und dabei sind die externalisierten Kosten nicht einmal einbezogen, die das Bild für die Erneuerbaren Energien weiter deutlich verbessern würden. Berücksichtigt man alle Kosten, die durch die Energieerzeugung und Energieversorgung verursacht werden, liegen die Erneuerbaren Energien längst deutlich niedriger als fossile Energieträger.

Doch noch immer wird das Märchen vom teuren Ökostrom verbreitet. Aber die Gründe, warum die EEG-Umlage steigt, liegen woanders. So fließen mit die Kosten für die in der Vergangenheit geförderten teureren Anlagen ein. Hinzu kommen preistreibende Mechanismen der Strombörse. Zumindest ein Teil der finanziellen Vorteilen aus fallenden Kosten bleiben bei den traditionellen Stromversorgern stecken. Außerdem werden die Kosten durch einen überzogenen und in der Notwendigkeit undurchsichtigen Netzausbaus hochgetrieben. Das bedeutet: Zum einen wäre die Netzertüchtigung besser, zum anderen auch eine stärkere Dezentralität des Versorgungssystems.

Die Bremser sitzen bei CDU und FDP

Seit dem Horrorunfall von Fukushima vom 11. März 2011 haben sich nicht nur die rot-grünen Fraktionen für die Energiewende eingesetzt, auch Schwarz-Gelb gab zumindest überwiegend und in der Öffentlichkeit den Widerstand gegen den Ausbau auf, auch wenn in ihren Reihen noch immer starke Bremser und Gegner mit erheblichen Einfluss vorhanden sind. Starke Kritik geht auch an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier, der dem dringend benötigten Ausbau mit der sogenannten Verordnung für technologieneutrale Innovationsausschreibungen neue Steine in den Weg legt.

Der Begriff der Energiewende wurde dennoch von allen Organisationen und Parteien – außer der AfD, die mit Umweltpolitik nichts am Hut hat – aufgegriffen und zu einer Leitlinie des politischen und wirtschaftlichen Handelns gemacht. Bis 2030 sollen die Erneuerbaren Energien beim Strom 50 Prozent und am Energieverbrauch insgesamt 30 Prozent betragen.

Die Energiewende ist mehr als nur Erneuerbare Energien

Richtig ist aber, dass die Energiewende ursprünglich einen viel weitergehenden Ansatz hatte. Sie wurde Zug um Zug auf die Erneuerbaren Energien reduziert. Dabei verfolgte sie anfangs eine gleichberechtigte Strategie der drei E’s: Einsparen, Effizienzrevolution und Erneuerbare Energien. Und sie gehören zusammen. Nach verschiedenen Berechnungen kann der Energieumsatz zwischen acht und 12 Prozent reduziert werden. Noch deutlich höher liegt das Einsparpotenzial einer Effizienzrevolution. Das erfordert, dass die Steigerung der Energie- und Rohstoffeffizienz deutlich höher liegen muss als das wirtschaftliche Wachstum. Der Energieumsatz könnte durch eine Effizienzrevolution um bis zu 40 Prozent reduziert werden.

Und zur Idee der Energiewende gehören auch mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung. Es ist nicht zu verstehen, dass es den Energiegenossenschaften und den Modellen der Bürgerenergie schwer gemacht wird. Auch sollte bei Erzeugung und Verteilung möglichst viel Dezentralität verwirklicht werden. Es gibt also viele Punkte, wo die Energiewende erst am Anfang steht. Den größten Schub hat sie gemacht, als sie unter Federführung des Umweltministeriums stand. Die SPD sollte sich dafür einsetzen, dass dies künftig auch wieder so ist.

Autor*in
Michael Müller

war Sprecher der SPD in der Klima-Enquete des Deutschen Bundestages und ist Bundesvorsitzender der NaturFreunde.

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