Geschichte

Vor 100 Jahren: Wie sich SPD und USPD wieder versöhnten

Nach der Spaltung am Ende des Kaiserreiches 1917 finden SPD und USPD in der ­Weimarer ­Republik wieder zusammen. Am 14. Juli 1922 bilden sie im Reichstag eine Arbeitsgemeinschaft. Auslöser waren zwei Attentate von rechts.
von Thomas Horsmann · 14. Juli 2022

Der Saal des Herkules-Velodroms in Nürnberg ist festlich geschmückt. An den Wänden hängen Transparente „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!” und „In der Einigkeit liegt die Macht!“. Delegierte, Gäste und Zuhörer drängen herein. Pünktlich um 9 Uhr wird der Einigungsparteitag von USPD und SPD in Nürnberg eröffnet. Es ist der 24. September 1922.

Drei Stunden später ist die Spaltung der deutschen Sozialdemokratie Geschichte. Otto Wels, Vorsitzender der SPD, stellt zum Abschluss des historischen Parteitags fest: „Schwierigkeiten sind dazu da, überwunden zu werden. Meinungsverschiedenheiten müssen in brüderlichem Sinne ausgetragen werden. Aber unerschütterlich soll das Wort von Nürnberg stehen: Einigkeit!” Stürmischer Beifall und Jubel im Saal.

Eine „Meinungsverschiedenheit” ist es eher nicht, die 1917 zur Spaltung der SPD führt. Es ist sind die Kredite für die Weiterführung des 1914 ausgebrochenen Ersten Weltkrieges, denen die SPD-Fraktion im Reichstag zustimmt. Doch die pazifistische linke Opposition um Hugo Haase widersetzt sich dem Kurs der Partei. Es folgt der Ausschluss der Linken und die Gründung der USPD, der Unabhängigen SPD am 18. Januar 1917.

Die Folgen der Spaltung

Ende 1918 spaltet sich der Spartakusbund von der USPD ab und gründet mit kleineren linksradikalen Gruppen die Kommunistische Partei Deutschlands. Während die SPD unter Friedrich Ebert den Weg zur parlamentarischen Demokratie einschlägt, fordert die USPD eine Räterepublik und die Diktatur des Proletariats. Nach Errichtung der parlamentarischen Demokratie 1918/19 wechseln enttäuschte Revolutionäre von der SPD zur USPD. Deren Mitgliederzahl wächst rasant auf 570.000, während die SPD auf knapp über eine Million Mitglieder kommt. Bei den Reichstagswahlen im Juni 1920 verdoppelt sich der Anteil der USPD-Stimmen auf 17,9 Prozent, die SPD stürzt um gut 16 Prozentpunkte ab auf 21,6 Prozent.

Doch die USPD wird zwischen Kommunisten und SPD zerrieben. Der radikale Flügel der USPD setzt sich 1920 durch, was zur weiteren Spaltung der USPD führt. Der radikale Flügel mit rund 370.000 Mitgliedern vereinigt sich am 4. Dezember 1920 mit der Kommunistischen Partei Deutschlands, die jetzt zu einer Massenbewegung wird.

Der gemäßigte Flügel unter den Parteichefs Arthur Crispien und Georg Ledebour führt die USPD mit 200.000 Mitgliedern weiter. Ihr Kurs nähert sich an die SPD an, die inzwischen mehr als 1,2 Millionen Mitglieder hat. Ein Grund ist die immer brutalere Auseinandersetzung mit den rechtsradikalen Feinden der Weimarer Republik. Die Attentate auf Philipp Scheidemann und Walther Rathenau im Juni 1922 geben schließlich den letzten Anstoß, die Kräfte der Sozialdemokratie wieder zu bündeln.

Die Wiedervereinigung

Am 14. Juli 1922 bilden die Reichstagsfraktionen von SPD und USPD eine Arbeitsgemeinschaft, wodurch die USPD de facto Regierungspartei wird. Am 6. September veröffentlichen die beiden sozial-demokratischen Parteien nach langen Verhandlungen ein Aktionsprogramm zur Vereinigung. Es folgen zwei getrennte Parteitage, die den Weg zur Vereinigung ebnen. Die SPD trifft sich vom 17. bis 23. September in Augsburg, wo neben der geplanten Vereinigung der Verlust von Mitgliedern seit 1920 im Zentrum der Debatte steht. Die USPD trifft sich vom 20. bis 23. September in Gera, wo der Vereinigung ebenfalls zugestimmt wird.

Der Vereinigungsparteitag beider Parteien am 24. September in Nürnberg vollendet den Prozess. Ein symbolischer Händedruck zwischen den beiden Partei-ältesten Wilhelm Bock (USPD) und -Wilhelm Pfannkuch (SPD) besiegelt den neuen Bund. Viele Mitglieder der USPD sind schon vorher zur SPD zurückgekehrt, die vereinigte SPD kommt nun auf etwa 1,25 Millionen Mitglieder, die höchste Zahl ihrer Geschichte. Sie nennt sich für zwei Jahre VSPD, Vereinigte Sozialdemokratische Partei Deutschlands.

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Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

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