Sie war die erste Frau, die Helmut Schmidt sich einst als Bundeskanzlerin vorstellen konnte. Nun wird sie am 5. Juli 75 Jahre alt und kümmert sich seit zwei Jahren mehr um ihre Enkel als um nationale und internationale Politik. Die Karriere der Tochter des Hamburger Bürgermeisters Paul Nevermann begann zu einer Zeit, in der ehrgeizige Frauen es noch schwer hatten im Beruf und in der Politik.
Als die junge Juristin, verheiratet mit Andreas Fuchs und Mutter von zwei kleinen Kindern, in den Vorstand der IG Metall geholt wurde, murrten vor allem die älteren Männer. Heute kann sie darüber lachen, wenn sie sich an diese Zeit erinnert: „Was will diese junge Frau hier? Die soll sich um ihre Kinder kümmern. Das Ziel der Arbeiterbewegung war ja, dass der Mann so viel verdient, dass seine Frau zu Hause bei den Kindern bleiben kann.“
Kind und Karriere
Politik war für Anke Fuchs schon seit Kinderzeiten so selbstverständlich wie atmen. In ihrem Elternhaus wurde nach dem Krieg mit Kurt Schumacher über die Neugründung der SPD diskutiert. Die Kinder waren immer dabei. Wenn sie erklären soll, was sie stets angetrieben hat, denkt sie an ihre Mutter: „Ich bin dazu erzogen worden, mich um meine Mitmenschen zu kümmern.“
Und so begann das, was man eine lupenreine sozialdemokratische Karriere nennen könnte. Sie war Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Frauen- und Gesundheitsministerin, Bundesgeschäftsführerin der SPD, Vizepräsidentin des Bundestages, dem sie 22 Jahre lang angehörte. Lange Jahre war sie Präsidentin des Mieterbundes, bis vor zwei Jahren Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Politik für Frauen
Ihr ganzes politisches Leben lang hat Anke Fuchs Frauenpolitik gemacht, hat Frauen gezielt gefördert. Wie so viele Politikerinnen ihrer Generation war sie zunächst keine Freundin von Quoten, hat sich aber durch die Realität eines besseren belehren lassen: „Zunächst dachte ich, wir kriegen das ohne Quote hin. Aber die Quote ist eine Erfolgsgeschichte, weil die Männer sich daran gewöhnen mussten, mit Frauen auf allen Gebieten zusammenzuarbeiten. Vor dem Quotenbeschluss der SPD nannte man uns ‚Alibifrauen’, danach ‚Quotilde’. Aber das ist längst Vergangenheit. Ich bin deshalb auch für Quoten in der Privatwirtschaft, denn wir kommen sonst nicht weiter. Wir müssen diesen Kampf einfach aufnehmen.“
Immer hat sie genau gewusst, für wen sie kämpfen will: Nämlich für diejenigen, die selbst keine Stimme haben, die gehört wird. Also für ausgebeutete Arbeitnehmer, für Frauen mit Kindern und dürftiger sozialer Absicherung, für die vom Schicksal nicht Verwöhnten. Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung kam dann noch internationales Engagement hinzu, vor allem für die Menschen, die mit großem persönlichen Mut – und oft mit großem Risiko – für Demokratie und Gerechtigkeit in den Ländern eintreten, die wir Entwicklungsländer nennen.
Burschikose Herzlichkeit
Das ganz Erstaunliche an ihrer langen, skandalfreien Karriere in Beruf, Politik und Ehrenamt ist, dass kaum jemand Nachteiliges über Anke Fuchs zu sagen weiß, obwohl sie durchaus kurz angebunden und von sehr herbem Charme sein kann. Bei Reden über sie ist immer wieder von ihrer „burschikosen Herzlichkeit“ die Rede, von ihrer Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen, Distanz zu überbrücken. Von oben herab, – das kann sie nicht. Ob sie mit einer Textilarbeiterin in Afrika oder einem Fahrer in Afghanistan redet, immer will sie wissen, ob der Lohn ausreicht, wie es mit der Schulbildung der Kinder ist, wie der Alltag der Familie aussieht. Sie fragt präzise und kann gut zuhören. Vielleicht erfährt sie deshalb oft mehr über die sozialen Zustände in einem Land als andere.
Loben andere sie für diese Fähigkeiten, dann wehrt sie möglicherweise aufkommende Rührung mit dem trockenen Satz ab: „Na ja, es kann wohl nicht alles gelogen sein.“
Stationen
Am 5. Juli wird Anke Fuchs 75 Jahre alt und feiert dies mit Mann, Kindern und Enkeln zu Hause in Wilhelmshaven. Die Juristin saß für die SPD 22 Jahre lang im Bundestag, war in der Regierung Helmut Schmidt Frauen- und Gesundheitsministerin, später Bundesgeschäftsführerin der SPD, Vizepräsidentin des Bundestages. Viele Jahre lang war sie Präsidentin des Mieterbundes, und nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag acht Jahre lang Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Ihr Motto für die Arbeit der FES könnte auch für ihre jahrzehntelange politische Arbeit für die SPD gelten: „Menschen einsammeln in unserem Land, die ehrenamtlich für die Demokratie arbeiten wollen und ihnen helfen, sinnvolle Basisarbeit zu leisten.“
(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.