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Der langjährige DDR Korrespondent des ZDF belegte 1978 ein Büro in der Ostberliner Dorotheenstraße und berichtete fortan von "drüben". 2003 verließ er das "Zweite" als Leiter
des Hauptstadtstudios. Er war der erste deutsche Fernsehjournalist, der in der DDR Filme
drehen durfte. Rund 250 Mal stellten sich er und sein Kamerateam vor "Honeckers
Lampenladen", wie der Palast der Republik im Volksmund betitelt wurde, auf. Wenn die
Staatsorgane der DDR es zuließen, war er ganz nah am Geschehen.

Der einstige Zaungast Jauer kann es trotzdem bis heute noch nicht fassen, dass die DDR Geschichte sein soll: "Ich staune noch immer über das Wunder der Wende", gesteht der Journalist. Als Beobachter sei er zwar immer dabei gewesen, die Tragweite der Ereignisse 1989 habe er dennoch nicht begriffen. Zu stark seien seine Erfahrungen mit kommunistischer Gewalt gewesen, die nicht nur ihn, sondern eine ganze Generation geprägt habe. "Die Jahre der DDR waren eine deutsch-deutsche Eiszeit", konstatiert Jauer. Der polnische Papst sei auch ein Akteur gewesen, wagte sich auf die politische Bühne. Schon bei der Antrittsrede des Geistlichen sei klar gewesen, dass seine Botschaft nicht vor dem Eisernen Vorhang halt macht: "Habt keine Angst! Öffnet die Grenzen der Staaten und der Gesellschaftsordnungen für Christus und seine rettende Macht!" Aktiv setzt er sich für die Verwirklichung von Menschenrechten und Freiheit ein.

Sein politischer Gegenspieler war der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow.
Seine Politik, die Offenheit und Wandel propagierte - führte zwar zu einer Entspannung im
Ostblock, aber zu verhärtenden Fronten in der DDR. Chef-Ideologe Erich Honecker
sperrte sich gegen die Politik des großen Bruders. "Plötzlich wollte Honecker nicht mehr
von der Sowjetunion siegen lernen", kommentiert Jauer die Ereignisse lakonisch.
Honecker ist machtlos. Weder er, noch sein kurzzeitiger Nachfolger Egon Krenz, können
den schleichenden Verfall des Kommunismus aufhalten. Im September 1989 öffnet
Ungarn seine Grenzen - dem Ausreiseexodus ist die DDR-Führung nicht gewachsen. Sie
tritt zurück.

Geburtstagsfeierlichkeiten werden zur Farce

Trotz gewaltsam niedergeschlagener Aufstände in den Ostblockländern gelingt in der
zweiten deutschen Republik das, was niemand zu hoffen gewagt hätte: eine friedliche
Revolution. Obwohl es in der DDR keine politische Opposition gegeben hat, konnte sich
unter dem schützenden Dach der Kirche Widerstand formieren. "Ohne Montagsgebet
hätte es keine Montagsdemonstrationen gegeben", erklärt Bernhard Vogel,
Ministerpräsident a.D. Mit den Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche habe alles
begonnen.

Die systemkritisch Gesinnten forderten demokratische Grundrechte wie Meinungs- oder
Pressefreiheit. "Joachim Jauer hat den Christen als Wegbereiter ein Denkmal gesetzt",
betonte Vogel. Ihre Rolle werde Jauers Buch "Urbi et Gorbi" angemessen gewürdigt. Auch
unter Androhung von Waffengewalt hätten sie ihre Ideale nicht verraten. Vor dem
Hintergrund immer lauter werdender Auflehnung gegen das Regime verwandelten sie die
DDR Feierlichkeiten zum vierzigsten Jahrestag der Republik zum "schalen Abgesang" auf
die Republik. "Die Christen waren mit Kerzen, nicht mit Seinen bewaffnet", betont Jauer.

Jauer gelänge es in seinem Buch die Komplexität und Entwicklung des zweiten deutschen
Staats herauszuarbeiten, lobt Vogel, "dabei beleuchtet er einzelne Momentaufnahmen."
Sein Blick auf die Ereignisse - der Blick eines Journalisten: Er verbinde seine eigenes
Erleben mit seiner profunden Sachkenntnis. Mit seiner detaillierten Darstellung sorge er
dafür, dass die Ereignisse lebendig bleiben. "Der Historiker soll sich Zeit lassen, der
Zeitzeuge darf sich keine Zeit lassen", stellt Vogel fest, während Jauer abschließend
resümiert: "Mein Buch richtet sich an die junge Generation. An die, die schon in einem
vereinten Deutschland aufgewachsen ist.

Verlag Herder
Aufl./Jahr: 1. Aufl. 2009
Mit ca. 10 s/w-Abbildungen
Format: 13,5 x 21,5 cm, 344 Seiten, Gebunden mit SU und Leseband
ISBN 978-3-451-32253-2
Euro D 19,95

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Anke Schoen

ist freie Journalistin.

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