Geschichte

Todestag: Paul Löbe, der sanfte Sozialdemokrat

Eine Kandidatur als Reichspräsident lehnte er ab. Trotzdem wurde Paul Löbe zu einer der prägendsten Figuren der Weimarer Republik. Am 3. August 1967 starb er im Alter von 91 Jahren.
von Kai Doering · 3. August 2017
16. Otkober 1931: Paul Löbe (SPD) auf dem Weg in den Reichtsag.
16. Otkober 1931: Paul Löbe (SPD) auf dem Weg in den Reichtsag.

Als der Alterspräsident am 7. September 1949 in Bonn die erste Sitzung des ersten Deutschen Bundestags eröffnet, steht am Rednerpult kein Unbekannter. Doch es ist nicht nur sein Alter, das den damals 74-jährigen Paul Löbe für die Eröffnung des neuen Parlaments qualifiziert. Zwölf Jahre, von 1920 bis 1932 hat der SPD-Politiker dem Reichstag als Präsident vorgesessen – unterbrochen nur von einem viermonatigen Intermezzo 1924 als die SPD kurzzeitig nicht die stärkste Fraktion im Parlament stellte.

Ein unauffälliger Mann mit Sinn für Anstand und Ehre

In den ersten Bundestag ist Paul Löbe nicht gewählt, sondern vom Berliner Abgeordnetenhaus als nicht stimmberechtigter Abgeordneter delegiert worden. Seinen neuen Kollegen spricht Löbe in seiner Eröffnungsrede ins Gewissen. „Wollen wir vor der deutschen Geschichte bestehen, dann müssen wir uns, ob in Koalition oder Opposition, so weit zusammenfinden, dass Ersprießliches für unser Volk daraus erwächst“, sagt Löbe. Das sei umso wichtiger, „damit wir uns auch die Achtung für unser deutsches Volk in der Welt draußen zurückgewinnen“. Und an eben jeden fügt Löbe hinzu: „Uns bewegt nicht der Gedanke nach einer Form von Vorherrschaft. Wir wollen mit allen Gliedern in den Kreis der europäischen Nationen treten.“

Es ist diese ausgleichende, aber doch bestimmte Art, die Paul Löbe schon in der hitzigen Zeit der Weimarer Republik viel Anerkennung eingebracht hat – durchaus über Parteingrenzen hinweg. „Er war keine markige oder kantige Figur. Er war ein unauffälliger Mann, mit einem ausgeprägten Sinn für Anstand und Ehre“, schreibt die „Zeit“ im August 1967 über Paul Löbe. Da ist er im Alter von 91 Jahren vor wenigen Tagen gestorben.

Brandt: Ein Symbol der Weimarer Republik

„Bis zuletzt war politische Arbeit für ihn nichts anderes als ehrenvoller Dienst und hohe Pflichterfüllung“, würdigt der damalige Vizekanzler Willy Brandt Löbe im „Vorwärts“, der vier Sonderseiten anlässlich des Todes bringt. „In der Schlichtheit seines Wesens, der reifen Gelassenheit und Charakterstärke verkörperte er eine parlamentarische Demokratie, die vom Volk geschaffen, nur für das Volk wirken will“, so Brandt weiter über Löbe. Dieser habe in den 20er Jahren eine Popularität erlangt, „die ihn in den Rang eines Symbols der Republik von Weimar erhob“.

Gemessen an heutigen Maßstäben mutet das merkwürdig an, denn Löbe war alles andere als ein Machtmensch, der die Öffentlichkeit suchte. Einen anderen Abgeordneten zu unterbrechen, war ihm peinlich. „Ich habe selten im Leben einen Mann von Bedeutung getroffen, der sich selber gegenüber so zurückhaltend war, wie das bei Paul Löbe der Fall gewesen ist“, erinnert sich Carlo Schmid im Interview mit dem „Vorwärts“.

Löbe vereidigte Hindenburg – im Freien

In dieser Bescheidenheit sagte Löbe auch ab als ihm nach dem Tod Friedrich Eberts 1925 die Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten angetragen wurde. „Auf diesen Platz gehörte ein Mann von härterem Holze, als ich es war“, bekannte Paul Löbe später. Da der sozialdemokratische Kandidat Otto Braun unterlag, musste Löbe schließlich den früheren Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg auf das Amt vereidigen.

Dieser hatte jedoch Sorge, es könne im Reichstag zum Eklat kommen. Kurzerhand verlegte Löbe die Zeremonie vor das Gebäude – nicht ohne vorher zwei als Krawallmachern bekannten Abgeordneten mitzuteilen, außerhalb der Reichstagsmauern genössen sie keine parlamentarische Immunität und könnten für Beleidigungen oder Schlimmeres sofort belangt werden.

„Ich glaube“, so bekennt Carlo Schmid im „Vorwärts“-Interview, „es wäre ein Segen für unser Volk gewesen, wenn nach dem Tode Eberts Paul Löbe zum Reichspräsidenten gewählt worden wäre. Ich glaube, es wäre manches Unglück nicht über die Welt und über unser Volk gekommen, das über uns gekommen ist.“

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