Sein österreichisches Kindermädchen bringt ihm die deutsche Sprache bei. Er spricht somit, neben seiner Alltagssprachen serbisch und kroatisch, eine weitere Sprache. Ivan Ivanji arbeitet nach einem erfolgreichen Studium der Germanistik für verschiedene Tageszeitungen in Belgrad. Dass er zum Dolmetscher Titos wird verdankt er einzig seiner mehrsprachigen Erziehung und dem Schicksal: "Alles kam von selbst. Es waren die Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg als jeder das tat, was er konnte oder glaubte zu können." Ivanjis Sprachtalent ist unter seinen Zeitungskollegen bekannt und er wird geschätzt. So kommt es dazu, dass ihn ein Anruf aus dem Bundesinformationsministerium ereilt. Er wird gebeten, bei einem Treffen zwischen dem jugoslawischen Ministerpräsidenten Petar Stambolic und dem österreichischen Kanzler Josef Klaus und dem Außenminister Bruno Kreisky zu dolmetschen. Es ist 1956 als Ivan Ivanjis seine Dolmetscherkarrierre startet, ohne, dass er diesen Beruf jemals erlernt hätte. Begegnungen mit Tito und den Mächtigen der Welt Kurz darauf kommt der jugoslawische Außenminister Popovic zu ihm: "Ich habe von Ihnen gehört, aber nicht gewusst, dass Sie so gut sind. Jetzt nehme ich Sie mit zu Tito. Ivan Ivanji trifft auf Tito, für den er von diesem Zeitpunkt an bei sämtlichen internationalen Gesprächen übersetzt. Der Dolmetscher lernt dabei Tito und seine Familie näher kennen. Mit Freude erinnert er an die Begebenheit, dass Titos Frau ihrem Mann den Bratfisch wegnahm, dem Dolmetscher gab und dabei sagte "Tito ist dick genug". Im Dunstkreis von Tito erlebt er die große Weltpolitik. Besonders beeindruckt zeigt sich Ivanji dabei von Willy Brandt, den er schon als Regierenden Bürgermeister Berlins kennen lernte. "Von allen Politikern , die ich als Dolmetscher kennen gelernt hatte, inklusive Tito, war Brandt für mich der ehrlichste, aufrichtigste und empfindlichste Mensch, möglicherweise zu gut für diesen schrecklichen Job." Er hat für einen Dolmetscher einen ungewöhnlich engen Kontakt zu den Staatsmännern. Er spricht sogar ganz unverblümt mit Brandt über dessen Rücktritt. Ivanjis Rolle als Dolmetscher ist nicht immer einfach. So muss er beispielsweise ein Dokument, in dem die Ost-Westbeziehungen geregelt werden, in verschiedene Sprachen übersetzen. Invanjis überlegt, ob er das englische Wort "relation" als "Bindung" oder "Verbindung" übersetzt. Die unterschiedlichen Übersetzungen würden einen anderen Sinn ergeben und für Ärger sorgen. Doch auch in solch kniffeligen Momenten weiß Invanji was zu tun ist und es gelingt ihm, immer den richtigen Ton anzuschlagen. Ivanji gibt in seinem Buch "Titos Dolmetscher" Einblicke in seine Zeit an der Seite des kommunistischen Diktators in Jugoslawien. Humorvoll und angereichert mit brisanten Anekdoten vermittelt er die Arbeitswelt eines Dolmetschers zu Zeiten des Kalten Krieges. Seine Haltung gegenüber Tito könnte dabei distanzierter sein, denn er kritisiert den kommunistischen Diktator an keiner Stelle. Dies ist eine Schwäche des Buches, das ansonsten unterhaltsam und lesenswert ist. Es ist besonders Menschen zu empfehlen, die sich für kleine Geschichten um Politiker und ihre Rolle in der Weltgeschichte interessieren. Ivan Ivanji: Titos Dolmetscher. Als Literat am Pulsschlag der Politik, Promedia Verlag 2008, ISBN 978-3-85371-272-6, 208 S., 15,90 Euro
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