Tagebuch einer jungen Delegierten: Blasse Gesichter (15.11.2005)
Blasse Gesichter, reger Kaffeekonsum am Morgen, wenig Zeit für das Frühstück.
Ein Abend mit der Partei hinterlässt seine Spuren.
Die Spuren, die die Partei hinterlassen soll, finden auf dem Wahlzettel statt und
werden sicherlich nicht jedem schmecken. Verklemmte Seeheimer gegen eine
humorlose Linke und zwischendrin ein paar angefixte Netzwerker? Aber das ist
das Schöne an der Partei. Nichts Menschliches ist ihr fremd.
Alle sollen sich nur vertragen und lieb haben. Das ungefähr hat der Franz
gesagt. Genauso wie "Die Flügel sind rechts und links, aber der Kopf ist immer in
der Mitte." Deswegen soll es jetzt weitergehen. Gemeinsam bitte schön.
Aber wie wähle ich jetzt aus? Und wen?
Meine Basis habe ich nicht vergessen. Die haben gesagt, wichtig ist das "Ohr für
die Partei". Heißt das im Umkehrschluss, Parteivorstandsmitglieder, die während
der Rede des Parteivorsitzenden gelangweilt gucken, mit dem Nachbarn
schwätzen oder noch schlimmer, in der Zeitung lesen - darf ich die etwa
wählen? Die Statisten auf dem Parkett hatten da teilweise mehr Ausdauer. Das
gilt auch fürs Applaudieren. Dass das wichtig ist, hätte die Führungsgarde auf
dem Podest doch merken müssen. Schließlich werden da später Filme draus
gemacht.
Auf einen Oscar für die begabten oder betagten Nebenrollen im Parteivorstand
kann jedenfalls keiner hoffen. Aber wer in der SPD will heutzutage noch einen
Oscar?
Vielleicht gibt es ja auch in zwei Jahren einen Comicstreifen. Peer Steinbrück
schreibt bestimmt schon am Drehbuch für das nächste Parteitagsmovie "Prinz
Deichgraf und das Mädchen mit der schwarzen Seele".
Schließlich hat der Noch-Kanzler der Partei in seiner Rede ein Vermächtnis zur
Bedeutung der Kultur für die Politik mit auf den Weg gegeben. Und dass der
Genosse Peer in Sachen Comic Kompetenzen vorweist, kann man in seiner
Kandidaten-Vorstellung nachlesen. Jetzt braucht es nur noch einen guten
Zeichner. Wir müssen ja nicht gleich alles schwarzmalen. Denn: Gestern gab es
auch noch rote Sparkassen-Schirme. Kostenlos. Gut.