Geschichte

„Tag der Befreiung“

von Heiner Lichtenstein · 7. Mai 2010
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Später, als ein neues Nationalgefühl die Westdeutschen erfasst zu haben schien, kam der "Tag der Niederlage" hinzu. Viele Bundesbürger konnten mit diesem Tag nicht recht etwas anfangen. Sie waren sich unsicher, ob sie sich dieses Tages überhaupt erinnern sollen.

Historische Rede Richard von Weizäckers

Nur eine winzige Minderheit hatte für diese Diskussion überhaupt kein Verständnis: Die Häftlinge, die Verfolgten, die Untergetauchten. Für sie gab es diese Debatte nicht, weil es unzweifelhaft der Tag der Befreiung war. Sie konnten auch nur wenig mit der DDR-Formulierung "Tag der Befreiung vom Faschismus" anfangen. Schließlich waren sie nicht vom Faschismus befreit worden, sondern vom Nazismus. Der war, ist und bleibt nämlich viel schlimmer als der Faschismus, weil dieser keine Todeslager und Gaskammern, keinen Völkermord kannte. Diese Unterscheidung sollten vor allem alle Linken bedenken, wenn sie unreflektiert Faschismus und Nazismus gleichsetzen.

Es war eine Art von Erlösung, als Richard von Weizsäcker endlich den Knoten durchschlug und in seiner wahrhaft historischen Rede am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag feststellte, was der 8. Mai 1945 tatsächlich war: Der "Tag der Befreiung". Seitdem sind die Diskussionen um diesen Tag weitgehend verstummt. Der 8. Mai ist zwar noch kein offizieller Feiertag, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Einen festen Platz in der deutschen Gedenkkultur

Zumindest im Deutschen Bundestag gedenken die Abgeordneten inzwischen dieses Tages in feierlicher Form. Diesmal wird Bundestagspräsident Norbert Lammert am Vortag, einem Freitag, eine kurze Ansprache halten.

Am eigentlichen Jahrestag soll in Berlin endlich die Ausstellung "Topographie des Terrors" eröffnet werden - auf dem Gelände, wo bis 1945 die Gestapo-Zentrale stand. Vor fünf Jahren, und zwar genau am 12. Mai 2005, wurde nahe dem Brandenburger Tor das "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" der Öffentlichkeit übergeben. Seitdem haben 3,2 Mio. Gäste das Stelenfeld besucht - gut die Hälfte kam aus anderen Ländern, besonders aus den USA, den Niederlanden, Italien und England.

Das kann selbstverständlich nicht so weitergehen - alle fünf Jahre eine neue Stätte der Erinnerung. Es zeigt sich aber, dass der 8. Mai inzwischen einen festen Platz in der deutsche Gedenkkultur hat. Das ist gut so, wobei wir nicht vergessen sollten, wem wir das zu verdanken haben: Richard von Weizsäcker.

Dieser Artikel erschien im Blick nach Rechts (bnr.de)

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