Geschichte

Steinmeier stellt klar: Kein Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik

von ohne Autor · 15. November 2005
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In der deutschen Außenpolitik wird es auch nach Bildung der Großen Koalition keinen Kurswechsel geben. Das hat der designierte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in einem Interview mit der SPD-Zeitung vorwärts auf dem Karlsruher Parteitag klargestellt. "Kontinuität wird dominieren", so Steinmeier. "Abrupte Kurswechsel in der Außenpolitik" seien "schädlich".

So sei ein Kurswechsel gegenüber Washington "nicht nötig". Die enge Partnerschaft mit den USA sei längst wieder erreicht ist. "Sicher hatten wir schwierige Zeiten - etwa in der Irak-Frage - aber diese Zeiten liegen hinter uns.

Beide Seiten waren bemüht, die entstandenen Irritationen auszuräumen, und das ist gelungen."

Zum Plädoyer der CDU/CSU für mehr Distanz zu Russlands Präsident Wladimir Putin, sagte Steinmeier: "Die strategischen Partnerschaft Deutschlands mit Russland, für die sich Gerhard Schröder mit Erfolg eingesetzt hat, wurde im Wahlkampf vereinzelt kritisiert. Von dieser Kritik findet sich nichts mehr im Koalitionsvertrag. Im Gegenteil, der Begriff der strategischen Partnerschaft wurde ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen."

Erfreut zeigte sich Steinmeier, dass "die schroffe Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft (der Türkei), besonders aus der CSU, keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden" habe. "Die Koalitionspartner bekennen sich zu ergebnisoffenen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei mit dem Ziel einer EU-Mitgliedschaft. Eine privilegierte Partnerschaft wird dagegen nicht als Ziel beschrieben."

Im deutsch-polnischen Verhältnis räumte der designierte Außenminister

Irritationen "auf beiden Seiten der Grenze" ein. "Die Probleme sind nicht

ausgeräumt". Er sei sich aber mit dem polnischen Außenminister einig, dies bald zu tun. "Deshalb wird mich eine meiner ersten Reisen nach Warschau führen."

Zum Versuch der CSU, den Beschluss der Bundesregierung zum Umzug des Auslandsgeheimdienstes BND nach Berlin zu verhindern, stellte Steinmeier klar: "Die CSU hat sich mit ihrer regional motivierten Position nicht durchgesetzt. Es bleibt beim Umzugsbeschluss." Seine Größenordnung werde unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten an der einen oder anderen Stelle noch einmal überprüft. "Aber für die Koalition ist klar: Angesichts der neuen Bedrohungen ist der Geheimdienst in der Hauptstadt unverzichtbar."

Lars Haferkamp

- Das Interview im Wortlaut -



Herr Steinmeier, die Außenpolitik von Rot-Grün hatte stets große Zustimmung in der Bevölkerung. Steht die Außenpolitik der Großen Koalition eher für Kontinuität oder für einen Kurswechsel?

Kontinuität wird dominieren, und das aus gutem Grund. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass abrupte Kurswechsel in der Außenpolitik schädlich sind. Es bleibt bei den Grundlagen unserer Außenpolitik: enge Partnerschaft mit Frankreich, Aussöhnung mit unseren östlichen Nachbarn, vor allem mit Polen und die Vertiefung der transatlantischen Freundschaft.

Meinungsverschiedenheiten mit der Union gab vor allem hinsichtlich des deutsch-amerikanischen Verhältnisses. Wird es einen Kurswechsel gegenüber Washington geben?

Nein. Ein Kurswechsel ist nicht nötig, weil anders als viele glauben, die enge Partnerschaft mit den USA längst wieder erreicht ist. Sicher hatten wir schwierige Zeiten - etwa in der Irak-Frage - aber diese Zeiten liegen hinter uns. Beide Seiten waren bemüht, die entstandenen Irritationen auszuräumen, und das ist gelungen.

Auch in Bezug auf die deutsch-russischen Beziehungen gibt es unterschiedliche Bewertungen der Koalitionspartner. Die Union plädiert für mehr Distanz zu Präsident Putin.

Die strategischen Partnerschaft Deutschlands mit Russland, für die sich Gerhard Schröder mit Erfolg eingesetzt hat, wurde im Wahlkampf vereinzelt kritisiert. Von dieser Kritik findet sich nichts mehr im Koalitionsvertrag. Im Gegenteil, der Begriff der strategischen Partnerschaft wurde ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen.

Den schärfsten Konflikt zwischen SPD und Union gab in der Frage eines EU-Beitritts der Türkei, auch personifiziert in den beiden Kanzlerkandidaten Schröder und Merkel. Welchen Kurs wird die Bundesregierung hier künftig einschlagen?

Die schroffe Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft, besonders aus der CSU, hat keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Die Koalitionspartner bekennen sich zu ergebnisoffenen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei mit dem Ziel einer EU-Mitgliedschaft. Eine privilegierte Partnerschaft wird dagegen nicht als Ziel beschrieben.

Das deutsch-polnische Verhältnis ist zur Zeit nicht in bester Verfassung. In Polen gibt es antideutsche Ressentiments, etwa im Präsidentschaftswahlkampf. Wie sollen die Beziehungen zu Warschau wieder verbessert werden?

Ich habe gleich nach seiner Ernennung denneuen polnischen Außenminister Stefan Meller angerufen. Wir waren uns einig, dass es auf beiden Seiten der Grenze zu Irritationen gekommen ist. Die Probleme sind nicht ausgeräumt, aber wir haben uns vorgenommen, das bald zu tun. Deshalb wird mich eine meiner ersten Reisen nach Warschau führen.

Als Chef des Bundeskanzleramts waren Sie einer der Hauptverantwortlichen für den Beschluss der Bundesregierung zum Umzug des Auslandsgeheimdienstes BND nach Berlin. Die CSU will diesen Umzug verhindern. Wird sie sich durchsetzen?

Nein, die CSU hat sich mit ihrer regional motivierten Position nicht durchgesetzt.

Es bleibt beim Umzugsbeschluss. Seine Größenordnung wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten an der einen oder anderen Stelle noch einmal überprüft. Aber für die Koalition ist klar: Angesichts der neuen Bedrohungen ist der Geheimdienst in der Hauptstadt unverzichtbar.

Interview Lars Haferkamp

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