Geschichte

Stärker als Kapital und Pfründe

von Carl-Friedrich Höck · 13. September 2012

Am Mittwochabend wurde in Berlin die Ausstellung „150 Jahre deutsche Sozialdemokratie“ eröffnet. Sogar der Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) lobte dabei die SPD: Der deutsche Sozialstaat sei ohne ihr Wirken nicht denkbar. 

Gewöhnlich ist diese Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung nicht. Das war am Mittwochabend nicht nur an der langen und prominenten Rednerliste abzulesen – Andrea Nahles und Frank-Walter Steinmeier waren nur zwei von sieben Rednern. Auch der Umstand, dass die Ausstellung im Paul-Löbe-Haus eröffnet wurde, ist eine besondere Würdigung. Nie zuvor war in einem Gebäude des Bundestags eine Ausstellung über eine Partei und ihre Geschichte zu sehen.

„Die Sozialdemokratie hatte an der Entstehung des Parlamentarismus und der Entwicklung der Demokratie einen entscheidenden Anteil“, begründete Bundestagspräsident Norbert Lammert diese besondere Anerkennung. Ungewöhnlich warme Worte fand der Christdemokrat für die SPD. „Die Republik und die Demokratie haben wir Deutschen nicht erfunden, aber den Sozialstaat“, sagte er. Dies sei ein Verdienst der Sozialdemokraten. Die Sozialgesetzgebung Bismarcks Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem dieser auf den Druck der Arbeiterbewegung reagierte, sei „ein schönes Beispiel, was man aus der Opposition heraus erreichen kann.“

Ein Bild fehlt

Die Ausstellung „150 Jahre deutsche Sozialdemokratie – Für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ wird in den kommenden Monaten an 24 verschiedenen Orten zu sehen sein, die mit der Geschichte der SPD verbunden sind. Auf 45 Tafeln und vier Mediastationen zeichnet sie die Geschichte der ältesten deutschen Partei nach, von Karl Marx und Ferdinand Lasalle bis in die Gegenwart.

„Ein für mich wichtiges Bild fehlt leider in der Ausstellung, weil es nicht mehr erhalten ist“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles in ihrer Rede. Es zeige Marie Juchacz, die 1919 auf der Weimarer Nationalversammlung als erste Frau zu einem deutschen Parlament redete. Auch dies sei ein Erfolg der Sozialdemokratie gewesen, die das Wahlrecht für Frauen schon in ihren Anfangsjahren „zum Losungswort und Banner dieser Partei“ gemacht habe, betonte Nahles.

Der Vizepräsident des Bundestags Wolfgang Thierse erinnerte daran, dass auch die Geschichte der ostdeutschen SPD zum Erbe der Partei gehört. Im Herbst 1989 gegründet, habe sie erkannt, „dass man niemals Gerechtigkeit und Freiheit entgegensetzen, niemals das eine dem anderen opfern darf.“

Steinmeier: „1918 und 1933 waren Wendepunkte für SPD“

SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier würdigte in seinem Redebeitrag zwei „Wendepunkt“ in der Geschichte der Partei. Der erste sei die Novemberrevolution 1918 gewesen, als Deutschland im Bürgerkrieg zu versinken gedroht habe. Damals habe sich die SPD entscheiden müssen, ob sie eine revolutionäre Räterepublik anstrebt oder die Ordnung wieder herstellen will. Sie habe sich dafür entschieden, an einer parlamentarischen Demokratie mitzuwirken. Weil sie einen Bürgerkrieg habe vermeiden wollen, und „weil die Diktatur einer Klasse, hinter der nicht die Volksmehrheit steht, unseren demokratischen Grundwerten widerspricht“, erklärte Steinmeier.

Der zweite Wendepunkt sei das Nein der SPD-Fraktion zum Ermächtigungsgesetz 1933 gewesen. Die SPD-Abgeordneten seien damals gewarnt worden, dass sie sich damit in Lebensgefahr begeben würden. Dennoch habe der Fraktionsvorsitzende Otto Wels Hitler ins Gesicht gesagt: „Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, unsere Werte zu vernichten“. Damit habe er „nicht nur die Sozialdemokratie, sondern die deutsche Demokratie überhaupt gerettet“, sagte Steinmeier.

Özoguz: „Haben noch Überzeugungsarbeit zu leisten“

Während ihres „Rede-Marathons“ (Klaus Wowereit) blickten die Redner nicht nur zurück, sondern zogen auch Lehren für die Gegenwart. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz etwa verwies darauf, dass der Kampf der SPD für Gleichberechtigung von Männern und Frauen noch lange nicht gewonnen sei. „Bei der Frauenquote haben wir noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten“, sagte sie. Und Andrea Nahles würdigte die Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Solidarität, die über 150 Jahre immer wieder neue Menschen für die Sozialdemokratie gewonnen habe. „Die SPD war immer die Hoffnung und der Stolz der einfachen, kleinen Leute“, sagte Nahles. „Sie wussten: Nur zusammen sind wir stark. Stärker als Kapital und Pfründe.“

Weitere Infos zur Ausstellung gibt es auf der Internetseite des Deutschen Bundestags.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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