Geschichte

Schwierige Nachbarschaft

von Thomas Horsmann · 12. März 2014

Vor 40 Jahren wird in Bonn das Protokoll über die Errichtung Ständiger Vertretungen der Bundesrepublik und der DDR unterzeichnet

Am 14. März 1974 treffen sich im Bonner Kanzleramt die Delegationen der DDR und der Bundesrepublik, angeführt von den Verhandlungsführern Staatsekretär Günter Gaus und Kurt Nier, Stellvertreter des Außenministers der DDR. Auf dem großen Holztisch liegen zwei Schreibunterlagen, daneben stehen zwei Löschpapierroller und zwei Füllfederhalter bereit. Journalisten, Pressefotografen und Kamerateams warten bereits, als Gaus und Nier am Tisch Platz nehmen und ihre Mitarbeiter sich hinter ihnen versammeln. Dann unterzeichnen die beiden Chefunterhändler das „Protokoll zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der DDR über die Errichtung der Ständigen Vertretungen“. Die Annäherung beider deutscher Staaten im Rahmen der Entspannungspolitik von Bundeskanzler Willy Brandt ist wieder einen Schritt vorangekommen. 

Die DDR war kein Ausland

Die Verhandlungen von Gaus und Nier waren allerdings langwierig und hart gewesen. Die Errichtung „Ständiger Vertretungen“ am jeweiligen Sitz der Regierung – also in Bonn und Ost-Berlin – waren bereits im Artikel 8 des Grundlagenvertrags zwischen der DDR und der Bundesrepublik vom 21. Dezember 1972 vereinbart worden. Auf diese Sprachregelung hatte man sich geeinigt, weil die Bundesrepublik jeden Anschein von diplomatischen Beziehungen, wie sie normale Staaten untereinander unterhalten, vermeiden wollte. Die DDR war zwar im Grundlagenvertrag staatsrechtlich als selbstständiger Staat anerkannt worden, nicht jedoch völkerrechtlich. Denn laut Grundgesetz konnte die DDR kein Ausland sein.
Nach dem Inkrafttreten des Vertrags am 21. Juni 1973 war Staatssekretär Günter Gaus zum Ständigen Vertreter ernannt worden. Am 28. November 1973 trafen sich die beiden Delegationen zum ersten Mal, um das Zusatzprotokoll zu verhandeln, das die Details des Artikels 8 klären sollte. Die Voraussetzungen waren schlecht: Die DDR hatte gerade den Zwangsumtausch verdoppelt und damit Besuche in der DDR weiter erschwert. So sollte die Abgrenzung zur Bundesrepublik weiter vorangetrieben werden. Die Bundesregierung hatte ihrerseits angekündigt, das neue Bundesamt für Umweltschutz in Berlin einzurichten, was Ost-Berlin und Moskau als unzulässige Ausweitung der Präsenz der Bundesrepublik in Berlin betrachteten. Zudem waren die Ziele der beiden Verhandlungsführer prinzipiell nicht vereinbar. Gaus sollte „besondere Beziehungen“ zur DDR aufbauen, während Nier „normale zwischenstaatliche Beziehungen“ anstreben sollte.

Verhandeln im Kalten Krieg

So zeigte sich die DDR bis in den Januar 1974 hinein unnachgiebig. Die Verhandlungen bissen sich an Punkten fest, die eigentlich bereits im Grundlagenvertrag geregelt waren, und immer wieder standen sie kurz vor dem Abbruch. Das wäre fatal für Willy Brandts Entspannungspolitik gewesen, die die Teilung Deutschlands und Europas überwinden sollte. Ein Scheitern der Verhandlungen hätte eine allgemeine Verschlechterung der Beziehungen zwischen West und Ost bedeutet. Daran hatten weder die Sowjetunion noch die USA ein Interesse.
Schließlich gibt die DDR doch nach. Am 7. März werden sich Gaus und Nier einig. Das Protokoll ist keine Vereinbarung zwischen ausländischen Staaten. Die Ständigen Vertretungen werden nicht Botschaften genannt. Die „Leiter der Ständigen Vertretung“ – nicht Botschafter – akkreditieren sich beim jeweiligen Staatsoberhaupt. Die Angehörigen der Ständigen Vertretungen haben dieselben Rechte wie andere Botschaftsangehörige – ohne tatsächlich Diplomaten zu sein. Schriftlich fixiert wird zudem, dass die Ständige Vertretung in Ost-Berlin die Interessen der West-Berliner vertritt.  
Am 2. Mai 1974 kann die Ständige Vertretung in Ost-Berlin in der Hannoverschen Straße ihre Arbeit aufnehmen.

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Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

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