Politiker mauerten, Richter halfen: Der lange Weg zur Gleichberechtigung
Seit 1948 steht im Grundgesetz, von den Müttern der Verfassung mühsam erkämpft, der klare und eindeutige Satz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Doch es sollten trotz mehrfacher Nachhilfe durch Urteile des Bundesverfassungsgerichtes Jahrzehnte vergehen, bis dieser Satz tatsächlich einigermaßen der Realität entsprach.
Vor 60 Jahren: Gleichberechtigungsgesetz
So dauerte es beispielsweise fast zehn Jahre, bis am 3. Mai 1957, also vor 60 Jahren, das erste Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet wurde, das allerdings diesen Namen kaum verdiente. Mit allen Tricks hatten sich die Konservativen in Politik und Gesellschaft dagegen gewehrt, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch nachvollzogen wurde, was in der Verfassung stand. Ein Beispiel: Die Frist für die Novellierung war der 31. März 1953. Die Bundesregierung ließ diesen Termin zum Zorn der wenigen Politikerinnen im Bundestag tatenlos verstreichen. Das Bundesverfassungsgericht musste Parlament und Regierung zum Handeln zwingen.
Bis zum 1957 endlich verabschiedeten Gleichberechtigungsgesetz sah die Frauenrealität in der Bundesrepublik so aus: Ehefrauen hatten keine Vollmacht für ein gemeinsames Bankkonto. Der Ehemann konnte jederzeit das Arbeitsverhältnis seiner Frau kündigen, sie aber umgekehrt in den Beruf zwingen. Ehemänner hatten das letzte Wort in allen Fragen der Kindererziehung und des gemeinsamen Lebens.
Stichentscheid des Ehemanns
Ob man ein Haus baute oder eine Waschmaschine auf Raten kaufte, ob der Wohnort gewechselt wurde oder die Kinder aufs Gymnasium durften, ob die Tochter Lise oder Lene hieß, bei Nichteinigung hatte stets der Mann das letzte Wort. Das war der sogenannte Stichentscheid des Ehemanns, der sich zur Empörung der Frauen auch im 1957 endlich verabschiedeten Gesetz wiederfand. Also mussten die Frauen erneut vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, das diesen Stichentscheid 1959 kassierte.
Aber damit war die Frauenwelt noch längst nicht in Ordnung. Das sogenannte Gleichberechtigungsgesetz war in der Praxis keines. Mit neuen Paragraphen wurden alte Rollenbilder zementiert, denn nun hieß es im Bürgerlichen Gesetzbuch: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“
Doppelbelastung der Ehefrauen
Das bedeutete in der Praxis: Der Mann musste nur behaupten, der Haushalt verschlampe, die Kinder verwahrlosten, weil die Frau außer Haus arbeitete – und schon war es vorbei mit dem Stück Freiheit. So erhielt die Doppelbelastung der Ehefrauen höchste gesetzliche Weihen, was dazu führte, dass viele resignierten und sich beschränkten auf putzen und kochen und Kinderbetreuung. Das familiäre und gesellschaftliche Leitbild jener Jahre lässt sich in dem Satz zusammenfassen: „Meine Frau hat es nicht nötig, zu arbeiten.“ Also waren Ehefrauen nur berufstätig, wenn das Geld gebraucht wurde. Die anderen gerieten unter Rechtfertigungszwänge. „Rabenmütter“ nannte man sie gerne in diesen frühen Jahren der Republik.
Die Frau behandelt wie ein unmündiges Kind, der Mann als „Ernährer“ mit allen Rechten ausgestattet – bei diesem Zustand blieb es bis zum Jahre 1977, als die von Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel engagiert vorangetriebene Reform des Familien- und Scheidungsrechtes in Kraft trat.
Frauenrechte in der DDR
In der DDR war man in Sachen Frauenrechte ein Stück weiter. 1953 verkündete Walter Ulbricht die Annahme eines Gesetzes über die Rechte der Frauen mit folgenden Sätzen: „Die Verwirklichung der Rechte der Frau, das ist ein ständiger Kampf gegen alte Gewohnheiten, gegen den Einfluss reaktionärer Kräfte, die aus Westdeutschland noch wirken. Das ist ein Kampf gegen Aberglauben und das ist auch der Kampf gegen rückständige Auffassungen bei Männern.“
In der Tat führte das Gesetz dazu, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der DDR viel leichter zu realisieren war als im Westen. Junge Frauen konnten trotz Kind in Ruhe studieren und dank einer flächendeckenden Kinderbetreuung arbeiten wie die Männer. Die Verantwortung für die Familie wurde (mit allen bekannten Nachteilen) als gesellschaftliche Aufgabe gesehen. Dass die Frauen in der DDR dennoch wie die Schwestern im Westen unter der Doppelbelastung durch Familie und Beruf sehr viel mehr litten als die Männer, hatte wenigstens keine gesetzlichen Weihen.
Frauenbewegung macht Druck
Doch auch im Westen änderten sich die Zeiten. Eine sehr energische Frauenbewegung sorgte seit den 60er Jahren für Druck. Der Abtreibungsparagraph 218 wurde liberalisiert. Die Pille machte ein Frauenleben planbarer. Das Namensrecht wurde geändert. Vergewaltigung innerhalb der Ehe wurde strafrechtlich der außerhalb der Ehe gleichgestellt. Auf dem Papier zumindest stimmt es inzwischen mit der Gleichstellung. Die tägliche Praxis allerdings sieht immer noch anders aus.
Frauen verdienen weniger als Männer und haben entsprechend niedrigere Renten. Das Ehegattensplitting bevorzugt die Hausfrauenehe. Alleinerziehende tragen immer noch ein hohes Armutsrisiko. Vielleicht wäre es an der Zeit für eine neue Frauenbewegung?
(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.