Geschichte

Philip Rosenthal: Ein Unternehmer für die SPD

Sein Werben für die SPD galt als Affront, sein Einzug in den Bundestag als Sensation: Porzellan-Fabrikant Philip Rosenthal war ein wichtiger Abgeordneter für die SPD, sein Modell der Vermögensbeteiligung wegweisend. Vor 20 Jahren starb er.
von Klaus Wettig · 27. September 2021
Erfolgreicher Unternehmer und SPD-Politiker: Philip Rosenthal auf dem Parteitag in Hannover 1973
Erfolgreicher Unternehmer und SPD-Politiker: Philip Rosenthal auf dem Parteitag in Hannover 1973

Philip Rosenthals Bindung an die SPD begann mit zwei Paukenschlägen, die ein umfassendes Medienecho auslösten. 1965 rief der renommierte Unternehmer, der sein ererbtes Unternehmen zu einer Weltmarke für gehobenes Porzellan gemacht hatte und zu einem wichtigen Repräsentanten der deutschen Wirtschaft aufgerückt war, zur Wahl der SPD auf. In einem Artikel in der „Zeit“ erklärte er, dass die Wahl der SPD für die Sicherung der Demokratie von großer Bedeutung sei. Es müsse einen Wechsel zwischen den Parteien geben, die die Regierung tragen.

Die SPD war begeistert, die Wirtschaftsverbände reagierten verstört, die CDU/CSU war empört. Was alle nicht ahnten, war der nächste Paukenschlag. Im Vorfeld der Bundestagswahl 1969 suchte die SPD-Führung nach einem Unternehmer, der als Mitglied des zukünftigen Bundestages die Offenheit der SPD gegenüber wirtschaftlichen Positionen repräsentieren könne. In dieser schwierigen Suche nahm Helmut Schmidt Kontakt zu Philip Rosenthal auf, der überraschend seine Bereitschaft zu diesem offenen politischen Engagement erklärte.

Von den Nazis aus dem eigenen Unternehmen gedrängt

Um dieses Engagement zu verstehen, reicht der oberflächliche Blick auf Rosenthals Lebenslauf nicht aus. Aufgewachsen war der 1916 geborene Philip Rosenthal in wohlbehüteten Verhältnissen, die 1933 jäh zerstört wurden. Ab 1934 unterlag die Familie den Nürnberger Gesetzen, die ihn zum „rassisch Verfolgten“ machten. Aus der Rosenthal AG wurde die Familie herausgedrängt: „Arisierung“ hieß diese Politik. In der Emigration entschied sich Rosenthal für den Kampf gegen das NS-System, zunächst in der Fremdenlegion, schließlich in der Britischen Armee. Für seine Dienste erhielt er die britische Staatsbürgerschaft. Nach Kriegsende beendete er seine Studien in Oxford mit dem MA. Seine Rückkehr in die Bundesrepublik war nicht auf Rosen gebettet, zwar wurde ihm der Eintritt in die Rosenthal AG nicht verwehrt und enteignetes Vermögen wurde zurückerstattet, doch der Aufstieg in der AG verlief hürdenreich. Erst als ihm mit einer neuen Porzellan-Linie ein wirtschaftlicher Erfolg gelang, öffnete sich ihm der Weg in den Vorstand.

Der Rückkehrer aus der Emigration erkannte sehr früh, dass die von den Nazis organisierte Vertreibung der Moderne auch in der Alltagsästhetik eine Lücke geschaffen hatte, die er bei dem Produkt Porzellan ausfüllen wollte. Rosenthal holte die vertriebene Design-Moderne in die Bundesrepublik zurück. Er vergab Aufträge an diese Künstler*innen, die überwiegend in die Vereinigten Staaten emigriert waren, vor allem hatte die Rosenthal AG Erfolg mit diesen Produkten. Ihm gelang es sogar, den Bauhaus-Star Walter Gropius zu gewinnen.

Dieses Engagement war von wirtschaftlichem Erfolg begleitet, was zu zahlreichen Berufungen Rosenthals in Leitungsgremien der deutschen Wirtschaft führte. Tatsächlich fühlte sich Philip Rosenthal durch Lebenslauf, gewonnene Erfahrungen dort als Außenseiter. Ein aktiver Kämpfer gegen Hitler-Deutschland wurde in dieser Zeit verdeckt als Vaterlands-Verräter gesehen.

Neben der Teilhabe am Haben auch eine am Sagen

Eine weitere Differenz war, dass Rosenthal den ungleichen Vermögenzuwachs kritisierte. Das Wirtschaftswunder ließ die Vermögen der Eigentümer*innen bedeutend anwachsen, die Gehalts- und Lohneinkommen blieben dahinter zurück. Rosenthal wollte neben der wirtschaftlichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer*innen auch die Beteiligung an den Unternehmenserträgen: Neben der Teilnahme am Sagen muss es eine Teilnahme am Haben geben, hieß seine Forderung.

Mit der SPD wollte er diese Forderung durchsetzen, deshalb trat er 1969 für sie an. Nicht auf einer Landesliste, sondern in einem Wahlkreis, den er in einem vielbeachteten Wahlkampf gewann; für die SPD zurückholte. Von 1969 bis 1983 war Rosenthal ein wichtiger Abgeordneter für die SPD, kurzzeitig sogar Parlamentarischer Staatssekretär. Als Kommunikationsberater half er danach der SPD und zahlreichen Nachwuchspolitiker*innen über viele Jahre. Sein Modell der Vermögensbeteiligung blieb eine Idee, die heute angesichts der enormen Vermögenszuwächse aktueller denn je ist.

Philip Rosenthal verstarb am 27. September 2001 im 86. Lebensjahr. Seine Grabstätte befindet sich in Selb-Erkersreuth.

Autor*in
Klaus Wettig

war von 1975 bis 1976 Politikberater für die sozialistische Partei im revolutionären Portugal. Als Mitglied des Europäischen Parlamentes war er Vorsitzender des Ausschusses für den Beitritt Portugals zur Europäischen Gemeinschaft.

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