Seit ihrer Gründung vor 142 Jahren steht die SPD in den unterschiedlichen Spannungsfeldern gesellschaftlicher Entwicklungen. Verpflichtet dem Prinzip der Aufklärung folgt sie der
gesellschaftlichen Diskussion in der Theorie und versucht, daraus praktische Konsequenzen für die Lebenssituation der Menschen zu ziehen. Dadurch grenzt sie sich zu anderen Parteien ab.
Aus diesem Spannungsverhältnis heraus definiert die SPD immer wieder ihren Anspruch, programmatisch politische Arbeit zu definieren, um gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen und
teilzunehmen an der Gestaltung der Gesellschaft und ihrem Wohlstand. Das Gestaltungsprinzip des Zusammenlebens ist und bleibt dabei stets die Solidarität. Insofern hat die SPD über einen
idealistischen Aspekt hinaus immer die konkrete Lebenssituation der Menschen im Blick. Sie hat das in Programmen definiert und in Regierungshandeln auf unterschiedliche Weise umzusetzen versucht.
Der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit ist für sozialdemokratische Politik zugleich Prinzip und Maßstab. Die Frage nach dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit stellt sich heute erneut angesichts
von Globalisierung und zunehmender Individualisierung, die den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdeen.
Staat und soziale Sicherungssysteme modernisieren
Wie heftig eine solche Debatte geraten kann, hat das Ringen um die Agenda 2010 gezeigt. Die Auswirkungen von Globalisierung und demografischer Entwicklung in Verbindung mit leeren
Staatskassen bedrohen bislang sichere Arbeitsverhältnisse und tragende soziale Sicherungssysteme. Als Konsequenz wurden neue Gestaltungsprinzipien eingeführt: In der Reform des Arbeitsmarkts heißt
das "Fördern und Fordern"; in der Modernisierung des Gesundheitswesens
ersetzt die integrierte Versorgung alte Strukturen; die Reform der Altersicherung ist mit der Neuaufstellung auf drei Säulen in ihren Grundzügen angelegt. Bezogen auf den größeren Rahmen der
europäischen Integration und die Handlungszwänge der Globalisierung zeigt die Agenda 2010 grundsätzlich die neue Weichenstellung sozialdemokratischer Politik. Jegliche Politik wird sich in Zukunft
nur noch unter Berücksichtigung eines solchen Rahmens gestalten lassen. Die Aufgaben der SPD als Partei und Partner in einer künftigen großen Koalition sind beschrieben: Unter dem Diktat leerer
Kassen gilt es, eine Politik der Modernisierung unseres Staatswesens, seiner sozialen Sicherungssysteme sowie von Wirtschaft und Arbeit zu entwerfen - und vor allem zu verfolgen.
Kapital und Arbeit zu Partnern machen
Zukunftsfähige Politik orientiert sich an der wirtschaftlichen und sozialen Wirklichkeit. Die konkreten Schritte einer solchen, langfristig gedachten Politik müssen wegführen von einer bloßen
Umverteilung, hin zu einer gerechten und sinnvollen Wirtschafts-, Familien- und Bildungspolitik. Die Ziele sind klar abgesteckt: gutes und nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum, die Modernisierung
des Sozialschutzes auf hohem Niveau, lebenslanges Lernen als Schlüsselqualifikation zur Teilhabe am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft und der soziale Dialog, d.h. ein Weg partnerschaftlicher
Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit.
"Aus Erfahrung wird man klug" heißt es im Volksmund. Für den angestrebten Prozess heißt das, einen breiten Dialog mit den Menschen zu führen, der die Ängste ernst nimmt. Denn in einer
Zivilgesellschaft geht nichts, es sei denn mit den Menschen. Mit Tricks der Angstmacherei und martialischer Rhetorik kommen wir nicht weiter. Die Menschen sind klug. Das haben sie in Wahlen
bewiesen, sie haben ihr Umfeld im Blick und ziehen für sich ihre Schlüsse. Will die SPD ihren Anspruch auf Gestaltung der Zukunft beibehalten, dann gelten für sie drei Prinzipien:
1. Im Umgestaltungsprozess darf es keine Gewinner und Verlierer geben, sondern alle sind gefordert - und manche darüber hinaus.
2. Sie muss klarmachen, dass es keine Lösungen auf der heimeligen Insel der "alten" Bundesrepublik mehr gibt. Sie darf nur Lösungen erarbeiten, die im europäischen Rahmen tragen -
populistische Sondernummern auf nationaler Ebene verbieten sich.
3. Politik muss klar definierte Projekte beschreiben, die offen sind für die Mitgestaltung durch die Bürgerinnen und Bürger. Die SPD kann dabei auf die Erfahrungen von über 140 Jahre
zurückgreifen, eine Erfahrung, über die keine andere Partei in dieser Republik verfügt. Die SPD hat die Kraft, Erfahrung und Fortschritt miteinander zu verbinden, um Sicherheit und Vertrauen zu
gewähren, dass sich die Menschen der Partei zuwenden. Sie muss diese Kraft für sich nur in Anspruch nehmen und nicht der Verzagtheit Platz geben.
Die Seeheimer
Der "Seeheimer Kreis" geht auf die sogenannten "Kanalarbeiter" zurück. Diese bildeten in den 60er Jahren eine informelle Gruppe innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion. Sie wurden dem rechten
Parteiflügel zugeordnet. Im Jahr 1973 konstituierte sich dann der "Seeheimer Kreis" im hessischen Seeheim-Jugenheim. Lange galten die Seeheimer als Hausmacht Helmut Schmidts in der SPD-Fraktion,
die die Mehrheitsfähigkeit der SPD vor erstarkten "neomarxistischen Tendenzen" in den eigenen Reihen schützen sollte. Die Grabenkämpfe von früher spielen heute eine untergeordnete Rolle. Laut
Selbstdarstellung sehen sich die Seeheimer als "die prägende Kraft in der Mitte von Fraktion und Partei". Dabei orientiert sich der "Seeheimer Kreis" an den Bedürfnissen einer sich ständig
verändernden Gesellschaft. Mitunter müsse dafür auch mit sozialdemokratischen Traditionen gebrochen werden. Auf regelmäßigen Treffen wie zum Beispiel dem "Seeheimer Mittagstisch" tauschen die
Mitglieder Meinungen aus oder legen Positionen für Fraktionssitzungen fest. Sprecher des "Seeheimer Kreises" sind die Abgeordneten Petra Ernstberger, Klaas Hübner und Johannes Kahrs.
www.seeheimer-keis.de
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