Geschichte

NS-Verbrechen vor Gericht: Neue Fritz-Bauer-Ausstellung in Berlin

Er war Sozialdemokrat, Jude und homosexuell. Nach seiner Flucht vor den Nazis und der Rückkehr aus dem Exil 1949 sorgte Fritz Bauer als Generalstaatsanwalt für die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen. In Berlin eröffnet dazu nun eine Sonderausstellung.
von Lars Haferkamp · 27. April 2021
Mutiger Pionier: Fritz Bauer, hier im Jahr 1965, gilt als Wegbereiter der juristischen Aufarbeitung der NS-Diktatur in der Bundesrepublik Deutschland.
Mutiger Pionier: Fritz Bauer, hier im Jahr 1965, gilt als Wegbereiter der juristischen Aufarbeitung der NS-Diktatur in der Bundesrepublik Deutschland.

Viele Jahre war Fritz Bauer vergessen. Dabei hatte der sozialdemokratische Jurist aus einer jüdischen Familie eine ganz entscheidende Rolle beim Umgang der Bundesrepublik mit der NS-Vergangenheit. Von 1956 bis 1968 ist er Generalstaatsanwalt von Hessen. Bauer leistet einen wichtigen Beitrag zur Verhaftung Adolf Eichmanns in Argentinien und damit zum Eichmann-Prozess 1961 in Israel. Ihm gelingt auch der Beginn einer Rehabilitierung der NS-Widerstandskämpfer*innen des 20. Juli 1944 in der Bundesrepublik.

Gute Gründe für eine Ausstellung zu Fritz Bauer

Sein wohl wichtigster Beitrag zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft sind die sogenannten Auschwitzprozesse in Frankfurt am Main. Er setzt sie gegen massive Widerstände aus Politik und Justiz der Adenauer-Ära durch. Ab 1963 werden in Frankfurt die NS-Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz juristisch aufgearbeitet. Zahlreiche Täter werden verurteilt.

Es gibt also viele gute Gründe, warum das Berliner Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ am 27. April eine Sonderausstellung eröffnet unter der Überschrift „Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht“. Es ist eine Ausstellung des Fritz Bauer Institutes zur Geschichte und Wirkung des Holocaust in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum, beide mit Sitz in Frankfurt am Main.

Leider hat die Corona-Pandemie den Ausstellungsmacher*innen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Seit dem 24. April ist die Topographie des Terrors nämlich wegen der Bundes-Notbremse geschlossen. In der Hoffnung auf eine Verbesserung der Infektionslage haben die Ausstellungsmache*innenr die Laufzeit der Schau bis auf den 17. Oktober 2021 ausgedehnt. Eine digitale Fassung der Ausstellung gibt es nicht.

Einflussreicher Remigrant in der Nachkriegszeit

Fritz Bauer gehört, so die Kuratoren, „zu den bedeutendsten und juristisch einflussreichsten jüdischen Remigranten im Nachkriegsdeutschland“. Die Berliner Ausstellung dokumentiert mit vielen Originalobjekten sowie Ton- und Filmaufnahmen Bauers Lebensgeschichte im Spiegel der historischen Ereignisse. 1920 wird er Mitglied der SPD, 1930 zum jüngsten Amtsrichter der Weimarer Republik ernannt. Während der NS-Zeit wird er als Jude und Sozialdemokrat verfolgt. 1933 wird er für acht Monate in zwei Konzentrationslagern inhaftiert. 1936 gelingt ihm die Flucht nach Dänemark und später nach Schweden. Im schwedischen Exil gründet er zusammen mit Willy Brandt die Zeitschrift „Sozialistische Tribüne“.

1949 kehrt Fritz Bauer zurück nach Deutschland. Er wird Landgerichtsdirektor in Braunschweig und 1950 Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Braunschweig. Hier schliesst sich das Gericht Bauers Plädoyer an, dass der NS-Staat „kein Rechtsstaat, sondern ein Unrechtsstaat“ gewesen sei.

Die Menschenwürde steht für ihn ganz oben

1956 ernennt ihn der hessische Ministerpräsidenten Georg-August Zinn (SPD) zum Generalstaatsanwalt des Landes Hessen. Dieses Amt hat er bis zu seinem Tod 1968 inne. „Fritz Bauers Auffassung, ein Staatsanwalt habe in erster Linie die Menschenwürde zu schützen, gerade auch gegen staatliche Gewalt, revolutionierte das überkommene Bild dieses Amtes – ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Demokratisierung in der frühen Bundesrepublik“, bilanzieren die Kuratoren.

Seine homosexuelle Veranlagung kann Fritz Bauer auch in der Bundesrepublik nicht offen leben, ohne seine berufliche Existenz und seine juristische Arbeit auf's Spiel zu setzen. Denn wie im Nationalsozialismus gilt der Paragraph 175 des Strafgesetzbuches auch im Adenauer-Deutschland. Er bestraft einvernehmliche gleichschlechtliche Kontakte Erwachsener mit Gefängnis.

Eröffnung der Ausstellung läuft im Internet

Die Eröffnung der Ausstellung am 27. April wird um 19 Uhr per Livestream im Internet übertragen. Christine Lambrecht, die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz, wird ein Grußwort halten. Auch das Begleitprogramm zur Ausstellung wird – falls dann noch nötig – per Livestream übertragen. Dabei geht es am 13. Juli um „Fritz Bauer und der Umgang mit der NS-Vergangenheit“, am 31. August um das Thema „Diener des Rechts und der Vernichtung. Das Verfahren gegen die Teilnehmer der Konferenz von 1941 oder: Die Justiz gegen Fritz Bauer“ und am 12. Oktober um Fritz Bauer und den Auschwitz-Prozess.

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