Geschichte

Mit Friedrich Ebert stirbt der Hüter der Weimarer Republik

Er bahnte der ersten deutschen Demokratie den Weg und sicherte ihr Überleben gegen alle Angriffe von rechts und links: der Sozialdemokrat Friedrich Ebert, seit 1919 Reichspräsident. Sein früher Tod 1925 beendete die Phase relativer Stabilität.
von Walter Mühlhausen · 5. Februar 2019
Reichspräsident Friedrich Ebert im Jahr 1921: Sein früher Tod am 28. Februar 1925 leitete das Ende der Weimarer Republik ein.
Reichspräsident Friedrich Ebert im Jahr 1921: Sein früher Tod am 28. Februar 1925 leitete das Ende der Weimarer Republik ein.

Am 11. Februar 1919 wählte die in Weimar tagende Nationalversammlung den sozialdemokratischen Parteivorsitzenden Friedrich Ebert mit 277 von 379 Stimmen zum Reichspräsidenten. Das war ein Meilenstein der deutschen Demokratie, denn damit besaßen die Deutschen zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt. In seiner Dankesrede versicherte Ebert, sein „Amt gerecht und unparteilich zu führen“: „Ich will und werde als der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Partei.“ Das sollte Leitmotiv in seinen sechs Jahren als Reichspräsident sein. Er wollte nicht wie die Hohenzollernkaiser, die die Sozialdemokraten außerhalb der Gesellschaft gestellt hatten, ausgrenzen, sondern einen und vereinen.

Ein Sohn des Arbeiterstandes als Präsident

Der in der Wolle gefärbte Sozialdemokrat, der seit 1905 dem SPD-Vorstand angehört hatte, davon seit 1913 als einer der beiden Vorsitzenden, beteuerte gleichzeitig, dass auch weiterhin die Interessen der Arbeiterbewegung Wertmaßstab seines Handelns sein würden: „Ich bekenne aber auch, dass ich ein Sohn des Arbeiterstandes bin, aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus, und dass ich weder meinen Ursprung noch meine Überzeugung jemals zu verleugnen gesonnen bin.“

Dass nunmehr mit Ebert einer jener Sozialdemokraten, die im Kaiserreich als Reichsfeinde verfolgt und als vaterlandslose Gesellen stigmatisiert worden waren, an der Spitze des neuen Staates stand, machte den fundamentalen Verfassungswandel weithin sichtbar. Der „Vorwärts“ brachte es in einem Satz auf den Punkt: „Der Sattler Fritz Ebert ist Reichspräsident.“

Schlüsselfigur der deutschen Geschichte

Der Schneidersohn aus Heidelberg war im Herbst 1918 zur Schlüsselfigur der deutschen Geschichte geworden. Nach der Bildung der ersten parlamentarischen Regierung unter Reichskanzler Prinz Max von Baden im Oktober, der mit Gustav Bauer und Philipp Scheidemann auch zwei Sozialdemokraten angehörten, hoffte Ebert auf einen allmählichen Übergang in den vollkommenen demokratischen Verfassungsstaat, wobei er durchaus bereit war, die Monarchie vorerst beizubehalten. Denn am Ende eines verlorenen vierjährigen Krieges, als Bankrott, Chaos und politisches Vakuum drohten, hätte ein radikaler verfassungsrechtlicher Schnitt die Lage zusätzlich verschärft. Eine parlamentarische Monarchie, allerdings nicht mit dem völlig abgewirtschafteten Kaiser Wilhelm II., sondern mit einem der Demokratie aufgeschlossenen Regenten als Repräsentanten ohne politische Macht, hätte auch im Bürgertum Anklang gefunden und die Akzeptanz des Neuen erhöht, womit das Fundament für eine umfassende Demokratisierung verbreitert worden wäre.

So war Ebert noch Ende Oktober 1918 der Ansicht: „Deutschland ist nicht reif für die Republik.“ Noch nicht, so sind diese Worte zu deuten. Anderes herauszulesen, ignoriert sein Lebensziel. Als dann am 9. November 1918, im Zeichen von Kriegsniederlage und Revolution, Prinz Max ihm die Regierungsverantwortung übertrug und Scheidemann mit der Ausrufung der Republik Fakten schuf, setzte auch Ebert alles auf die Karte Republik.

Der Mann des Ausgleichs sucht den Konsens

Als „Reichskanzler für einen Tag“ und Kopf der am 10. November paritätisch aus SPD und USPD gebildeten sechsköpfigen Revolutionsregierung („Rat der Volksbeauftragten“) galt sein Augenmerk im Wesentlichen der baldigen Einberufung einer Nationalversammlung. In einer der dramatischsten Problemlagen der deutschen Geschichte, unter ungeheuren Belastungen und im Angesicht unnachgiebiger Sieger bahnte er den Weg in die Republik. Mit dem Zusammentritt der Nationalversammlung am 6. Februar 1919 hatte er sein Ziel erreicht.

Im Gegensatz zu den Verfassungsschöpfern, die aus Furcht vor einer Parteiherrschaft einen einflussreichen Reichspräsidenten als Gegengewicht zu Parlament und Kabinett schufen, verstand sich Ebert als Staatsoberhaupt immer als Teil und nicht als Gegenpol der Reichsregierung. Für ihn war dabei die Einigkeit der Staatsführung grundlegendes Prinzip. Stets um den Konsens bemüht, war er in strittigen Fragen der Mann des Ausgleichs und des Ausgleichens, ein Teamspieler, der seine Rolle als Hüter der demokratischen Ordnung sah. Er schöpfte dabei seine Verfassungsrechte in den Krisenzeiten voll aus, um das Überleben der von außen bedrängten und innerlich zerrissenen Republik zu sichern. Mit Erfolg.

Sein Tod brachte Hindenburg an die Macht

Bei seinem frühen Tod am 28. Februar 1925 befand sich die Republik von Weimar – auch dank seiner Politik – in einer Phase relativer Stabilität. Sie hätte den Weg in seinem Sinne weitergehen können. Zu seinem Nachfolger aber bestimmten die Deutschen in einer Volkswahl mit Paul von Hindenburg den Verfechter der Dolchstoßlüge, einen Militär, einen Antirepublikaner. Unter seiner Präsidentschaft wurde im Januar 1933 mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte aufgeschlagen. Die Republik von Weimar, deren Entstehung eng mit dem Namen Friedrich Ebert verknüpft ist, war Geschichte. Ihr Untergang war aber nicht die Schuld derer, die sie aus der Taufe gehoben hatten.

Autor*in
Walter Mühlhausen

war Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg. Er lehrt als apl. Professor an der Technischen Universität Darmstadt.

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