Geschichte

Mauerbau: Als die Trennung zwischen Ost und West zementiert wurde

In der Nacht auf den 13. August 1961 begann der Bau der Berliner Mauer. Die Vorbereitungen waren so geheim verlaufen, dass nicht einmal die engste Führungsriege der SED darüber informiert war. Entscheidend sollten die folgenden Tage werden.
von Daniela Münkel · 4. August 2021
Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße in Berlin: Vor 60 Jahren begann der Bau der Mauer.
Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße in Berlin: Vor 60 Jahren begann der Bau der Mauer.

Am Abend des 12. August 1961 trafen sich die Spitzen des SED-Staates bei Walter Ulbricht zu einem lockeren Beisammensein. Zwischen 21 und 22 Uhr teilte ihnen der Staatsratsvorsitzende mit, dass nach Mitternacht die Sektorengrenze zu Westberlin endgültig abgeriegelt werde. Die Vorbereitungen zur Grenzschließung waren so geheim verlaufen, dass nicht einmal die engste Führungsriege der SED darüber informiert war. Neben Ulbricht selbst, der die Federführung nicht aus der Hand gab, waren nur Erich Mielke als Minister für Staatssicherheit, Innenminister Karl Maron, Heinz Hoffmann als Verteidigungsminister, Erwin Kramer als Verkehrsminister, der stellvertretende Ministerpräsident Willi Stoph sowie die SED-Parteichefs von Berlin und Magdeburg, Paul Verner und Alois Pisnik, involviert. Als Stabschef und späterer Leiter des unmittelbar vor dem 13. August einberufenen „Zentralen Einsatzstabes“ fungierte Erich Honecker, damals Sekretär für Sicherheitsfragen beim ZK der SED. Die Aktion lief unter dem Codewort „Rose“.

In der Bundesrepublik ahnte man nichts

Der DDR liefen die Bürger weg, zwischen September 1949 und August 1961 flohen insgesamt 2,8 Millionen Menschen. Allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 1961 verließen 124.242 und im August noch einmal 49.000 Personen den Arbeiter- und Bauernstaat. Um diesen Exodus zu stoppen, der die Existenz der DDR bedrohte, hatte Walter Ulbricht die Sowjets schon länger gedrängt, die Grenze endgültig zu schließen. Aufgrund internationaler, machtpolitischer Erwägungen zögerte Kremlchef Chruschtschow zunächst. Mit seiner Maximalforderung nach einem Abzug der Westmächte aus Berlin konnte er nicht durchdringen. Wohl aber signalisierte US-Präsident Kennedy, sich nicht in die inneren Probleme der DDR einzumischen. Nun lenkte Chruschtschow ein. Spätestens Anfang August 1961 bekam Ulbricht für seine Pläne grünes Licht aus Moskau. Davon ahnte die DDR-Bevölkerung nichts.

Auch in der Bundesrepublik wusste man nicht, dass die SED-Führung nun kurzfristig handeln würde. Bundeskanzler Konrad Adenauer und SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt befanden sich auf Wahlkampftour. Der BND gab Entwarnung. Er ging einem sowjetischen Doppelagenten auf den Leim, der noch am 9. August berichtete, die Sowjets hätten den Plänen Ulbrichts zur Grenzschließung eine Absage erteilt. Die BND-Meldung ging auch an die amerikanische CIA, die jedoch offenbar besser informiert war. In den täglichen Lageberichten des Auslandsgeheimdienstes an den amerikanischen Präsidenten konnte John F. Kennedy am 10. August lesen, dass das Zentralkommitee der SED überlege, die Grenzen zu Westberlin abzuriegeln und hierfür seien bereits konkrete Vorbereitungen angelaufen.

Warum diese Information die deutsche Bundesregierung nicht erreichte, ist verwunderlich. Doch selbst wenn Adenauer aus Washington gewarnt worden wäre, den Lauf der Dinge hätte es nicht verändert. Denn Kennedy hatte die Schwerpunkte der amerikanischen Außenpolitik weg von Europa und damit der deutschen Frage verlagert und war nicht gewillt, wegen Deutschland eine militärische Auseinandersetzung mit den Sowjets zu riskieren.

Erich Honecker empfiehlt sich für höhere Aufgaben

Am 13. August 1961 um ein Uhr in der Nacht wurde die Aktion „Rose“ ausgelöst. Am frühen Morgen des 13. August, einem Sonntag, waren  zwölf S- und U-Bahnlinien zwischen Ost- und Westberlin unterbrochen, die Bahnhöfe der „Westlinien“, die durch den Ostsektor fuhren, geschlossen; Stacheldraht und Betonklötze aufgestellt, um eine  Überwindung der Grenze zu  verhindern. Die Transportpolizei kam durch eine Panne vier Stunden zu spät. Das konnte aber durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) kompensiert werden. Insgesamt war aus Sicht der SED-Führung die Grenzschließung ein Erfolg – Erich Honecker hatte sich bewährt und für höhere Aufgaben empfohlen.

Nun lag das Augenmerk der Machthaber in Ostberlin und Moskau auf den Reaktionen, die  ihr Coup hervorrufen würde. Wie reagiert die Bevölkerung, kommt es zu ähnlichen Aufständen wie am 17. Juni 1953? Wie werden die Westalliierten reagieren? Um ein möglichst umfassendes Bild über die Lage zu haben, begann neben dem SED-Parteiapparat, die Staatssicherheit (inklusive der Auslandsaufklärung HV A) eine eng getaktete Berichterstattung über die Situation nach der Grenzschließung.

Was die HV A am 13. August über etwaige Reaktionen des Westens lieferte, ergab noch kein klares Bild. Aber bereits einen Tag später war sich das MfS ziemlich sicher, dass die Westmächte, Forderungen der Bundesregierung und des Berliner Senats nach entschlossenen Gegenmaßnahmen und Rückgängigmachung der Grenzschließung nicht nachkommen würden. Erst jetzt konnten die DDR-Machthaber die provisorischen Sperren durch eine  dauerhafte Mauer ersetzen.

Schnell kehrte Ruhe ein

Und in der DDR? Auch wenn ein Volksaufstand wie am 17. Juni 1953 ausblieb, überwogen im ganzen Land negative Reaktionen: An erster Stelle standen dabei in Berlin unter anderem spontane „Ansammlungen“ an S- und U-Bahnhöfen sowie „mehreren Grenzübergängen“. Auch der Ruf nach freien Wahlen wurde immer wieder laut. Eine befürchtete Streikwelle blieb zwar aus, dennoch kam es in einigen Betrieben zu Protesten und kurzeitigen Arbeitsniederlegungen.

Doch schnell kehrte Ruhe ein. Auf den Mauerbau folgten Monate, die als eine der schärfsten Repressionsphasen in der Geschichte der DDR gelten. Gefolgt von einer mehrjährigen Reformperiode: Im eingeschlossenen Land sollte die sozialistische Utopie eine Chance bekommen, was freilich nur von kurzer Dauer war.

Die Mauer wurde in den nächsten Jahrzehnten durchlässiger. Die unter Willy Brandt zwischen 1963 und 1966 ausgehandelten Passierscheinabkommen in Berlin waren ein erster wichtiger Schritt. Vor allem aber brachte die neue Deutschland- und Ostpolitik der sozialliberalen Koalition ab 1969 Erleichterungen mit sich. Doch es bedurfte der mutigen Bürgerinnen und Bürger in der DDR und einer neuen Politik der Sowjetunion, um die Mauer im Herbst 1989 ein für allemal einzureißen.

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Autor*in
Daniela Münkel

ist Leiterin der Forschung beim Stasi-Unterlagen-Archiv und Mitglied des SPD-Geschichtsforums.

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