Loki Schmidt: Frei von allen Attitüden
Loki Schmidt – so hieß sie eben, ihr amtlicher Vorname Hannelore wurde nur ganz selten verwendet – war eine der besonders eindrucksvollen Frauengestalten des vorigen Jahrhunderts. Reiner Lehberger, ein anerkannter Erziehungswissenschaftler, begegnete ihr zwar erst Mitte der 90er Jahre persönlich, aber die Zusammenarbeit, die sich zwischen beiden auf mehreren Fachgebieten rasch entwickelte, und das Vertrauensverhältnis, das dabei entstand, führten dazu, dass schon 2010 ein Gesprächsbuch unter dem Titel „Auf einen Kaffee mit Loki Schmidt“ erschien.
Nun hat Reiner Lehberger Loki Schmidt eine umfassende Biografie gewidmet, von der ich als einer, der ihr jahrzehntelang nahe stand und sie wenige Wochen vor ihrem Tod ein letztes Mal besucht hat, nur sagen kann: Sie wird ihr in vollem Umfang gerecht. Das gilt schon für die Schilderung ihres Lebenslaufes, die sich in Details verliert, aber dem Leser ein konkretes Bild von den Herausforderungen vermittelt, die sie zu bestehen hatte. Und die waren ja nicht alltäglich.
Sie wahrte ihre Selbstständigkeit
Denn der Bogen, der sich von der Kindheit in einem politisch engagierten Arbeiterhaushalt über den beruflichen Aufstieg als Lehrerin bis hin zur Erschließung ganz neuer Tätigkeitsfelder als Naturwissenschaftlerin und Biologin und schließlich zur Wahrnehmung einer Rolle an der Seite eines Politikers spannt, der zuletzt als Staatsmann internationales Ansehen genoss, ist nicht nur ungewöhnlich, sondern er umfasst auch eine Phase unserer Geschichte, die mit dem Scheitern der Weimarer Republik, den Verbrechen des NS-Gewaltregimes, dem Wiederaufstieg unseres Landes nach 1945, der wechselseitigen atomaren Bedrohung im Kalten Krieg und der Wiederherstellung der deutschen Einheit, von einer beispiellosen Dichte war.
Das alles lässt Lehbergers Buch erkennen. Es macht aber auch deutlich, dass Loki Schmidt in den fast 70 Jahren ihrer Ehe mit Helmut Schmidt ihre Selbstständigkeit stets zu wahren wusste. Sie half ihm, wo immer sie konnte. Und seine Erfolge halfen umgekehrt auch ihr. Aber sie entschied selbst über neue Schwerpunkte ihrer Aktivitäten. Und sie erwarb sich hohes Ansehen, weil ihr öffentliches Auftreten von allen Attitüden frei blieb. Dabei verbarg sie nie, dass sie sich an den sozialdemokratischen Grundwerten orientierte. Deshalb sollten gerade auch diejenigen, die der vorwärts erreicht, dieses Buch lesen und weiterempfehlen.
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Reiner Lehberger
Loki Schmidt – Die Biographie
Hoffmann und Campe, 480 Seiten,
24 Euro, ISBN 978-3-455-50285-5
1926 bis 2020, war von 1987 bis 1991 Parteivorsitzender der SPD, von 1972 bis 1974 unter Bundeskanzler Willy Brandt Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und 1974 bis 1981 unter Bundeskanzler Helmut Schmidt Justizminister.