Für die deutsche Arbeiterbewegung spielte der Sport schon früh eine wichtige Rolle. Als Reichskanzler Otto von Bismarck 1878 das Sozialistengesetz durchsetzte, wurden den Sozialdemokraten alle Parteiorganisationen verboten. Sie wurden verfolgt und geächtet. Doch sie hielten zusammen und organisierten sich im Privaten. So entstand ein zunächst verdecktes, sozialdemokratisches Vereinsmilieu, das noch weiter aufblühte, als das Sozialistengesetz 1890 aufgehoben wurde. Sportclubs spielten dabei eine wichtige Rolle. Sie halfen den Sozialdemokraten, sich ihre eigene Lebenswelt zu schaffen, streng abgeschottet von allem Bürgerlichen. Das machte die Kaiserzeit für sie erträglich – und die Sozialdemokratie stärker.

1893 schlossen sich 42 Arbeitersportvereine zum „freien Arbeiter-Turnerbund Deutschland“ (ATB) zusammen. Auch das hatte einen politischen Hintergrund: Die Deutsche Turnerschaft, der Dachverband der bürgerlichen Turnvereine, war zunehmend nach rechts gerückt. Abgesehen davon konnten Arbeiter den bürgerlichen Vereinen oft gar nicht beitreten, weil es ihnen untersagt war – oder schlicht zu teuer.
Der Wettbewerbsgedanke spielte in den Arbeitersportvereinen übrigens lange Zeit kaum eine Rolle. Im Vordergrund sollten Zusammenhalt und körperliche Ertüchtigung stehen. Die Sportler in Sieger und Verlierer aufzuteilen, widersprach der Ideologie der Arbeiterbewegung und galt als kapitalistisch. Doch als Sportarten wie Fußball und Leichtathletik immer populärer wurden, musste der ATB reagieren. 1919 erkannte er den Fußball als vollberechtigte Sportart an und nannte sich in „Arbeiter-Turn- und Sportbund“ (ATSB) um.

»Krieg mit sportlichen Mitteln«

Nationalgefühle blieben im Arbeitersport allerdings verpönt. Als im Juli 1925 Sportler aus zwölf Ländern in Frankfurt am Main zu einer spektakulären Arbeiter-Olympiade zusammenkamen, waren weder Nationaltrikots noch -fahnen zu sehen. Die Spiele waren zugleich eine politische Demonstration: Gegen nationale Großmannssucht und für eine andere Gesellschaftsordnung. Den bürgerlichen Olympioniken dagegen warfen die Arbeiter vor, „Krieg mit sportlichen Mitteln“ zu führen.

In dieser Zeit verstanden sich die meisten Arbeitersportvereine als politische Bildungs- und Erziehungsanstalten. Viele von ihnen unterhielten sogar eigene Bibliotheken mit sozialistischer Literatur. Da überrascht es nicht, dass sie den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge waren. Die Nazis zerschlugen den ATSB 1933, kaum dass sie an die Macht gekommen waren – und setzten der Arbeitersportbewegung ein Ende. Denn nach 1945 verzichteten die Sozialdemokraten auf eine Neugründung des ATSB. Bürgerliche und sozialdemokratische Sportler kamen nun unter dem Dach des 1950 gegründeten Deutschen Sportbundes (DSB) zusammen.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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