Geschichte

Kurzes Aufblühen der SPD

von Die Redaktion · 8. Dezember 2005
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Bereits am 19. April 1945 hatte eine Gruppe von Sozialdemokraten um Kurt Schumacher in Hannover die Wiedergründung der SPD beschlossen und am 6. Mai den Ortsverein Hannover ins Leben gerufen. Am 15. Juni 1945 entstand in Berlin ein zweites Zentrum für den Wiederaufbau der SPD. Drei Gruppen ehemaliger Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre, die sich im Mai in Berlin gebildet hatten, konstituierten sich Anfang Juni als "Zentralausschuss der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" (ZA) und bestimmten Otto Grotewohl und Max Fechner zu Sprechern des ZA.

Die KPD gründete sich als erstes neu

Während die westlichen Besatzungsmächte erst zwischen September und Dezember 1945 offiziell die Bildung politischer Parteien erlaubten, erließ Marschall Schukow schon am 10. Juni 1945 in Berlin für die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) seinen Befehl Nr. 2: In der SBZ "ist die Bildung und Tätigkeit aller antifaschistischen Parteien zu erlauben". Schon am 11. Juni erschien der "Aufruf des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands an das deutsche Volk zum Aufbau eines antifaschistisch-demokratischen Deutschlands". Die Anfang Mai aus Moskau zurückgekehrte KPD-Führung ("Gruppe Ulbricht") gründete am 11. Juni 1945 die alte KPD wieder neu. Die Hoffnungen der Sozialdemokraten in Berlin auf die "Einheit der Arbeiterklasse" waren dahin. Die Sozialdemokraten reagierten am 15. Juni mit dem "Aufruf des Zentralausschusses der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zum Aufbau eines antifaschistisch-demokratischen Deutschlands". Am 17. Juni bestätigte eine erste große Versammlung von etwa 1500 ehemaligen Funktionären der SPD den Zentralausschuss als Führungsgremium der wiedergegründeten SPD.

Zwischen den Grundsatzpositionen Kurt Schumachers und denen des Aufrufs des ZA bestand weitgehende Übereinstimmung. Aus der radikalen Kritik an Nazismus und Kapitalismus zogen sie die Konsequenz: Hauptursache für den "Sieg" des Naziregimes war der Kapitalismus. Daher war seine Überwindung durch den Demokratischen Sozialismus nicht Fernziel, sondern Tagesaufgabe. Ähnlich wie in zahlreichen Erklärungen Schumachers heißt es im Aufruf des ZA vom 15. Juni 1945: "Demokratie in Staat und Gemeinde, Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft! Verstaatlichung der Banken, Versicherungsunternehmungen und der Bodenschätze. Verstaatlichung der Bergwerke und der Energiewirtschaft." Doch während Schumacher von Anfang an den Gedanken einer einheitlichen Arbeiterpartei unter Einbeziehung der Kommunisten kategorisch ablehnte, heißt es im Aufruf des ZA: "Wir wollen vor allem den Kampf um die Neugestaltung auf dem Boden der organisatorischen Einheit der deutschen Arbeiterklasse führen." Daraus folgt aber keineswegs, dass der ZA der SPD in Berlin das Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie weniger ernst nahm als Schumacher.

Glauben an eine demokratische KPD

Aber die Berliner Sozialdemokraten glaubten an den demokratischen Wandel der KPD: Sie "begrüßen daher auf das wärmste den Aufruf" der KPD vom 11. Juni, in dem sie sich zur "Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes und einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk" bekennt. Ausdrücklich hatte die KPD auch festgestellt: "Wir sind der Auffassung, dass der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre".

Für die SPD in ganz Deutschland war die Wiedergründung der SPD in Berlin am 15. Juni 1945 von besonderer Bedeutung, weil in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) die früheren Hochburgen der SPD lagen. Obwohl die sowjetische Besatzungsmacht die KPD in jeder Hinsicht bevorzugte, gewann die SPD bis zur Jahreswende 1945/46 mehr Mitglieder und mehr Zustimmung bei der Bevölkerung als die KPD. Schon Ende Oktober hatte die SPD in der SBZ wieder über 300 000 Mitglieder. Gerade diese Stärke der SPD wurde für die KPD und die Besatzungsmacht zu einem Motiv, die SPD durch die Vereinigung mit der KPD zur SED auszuschalten. Doch das kommunistische Konzept zur Schaffung der SED hatte inhaltlich nichts zu tun mit den Vorstellungen der Sozialdemokraten vom Sommer 1945, eine einheitliche Arbeiterpartei zu schaffen.

Von Horst Heimann

Quelle: vorwärts 6/2005

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