Geschichte

Kern des Widerstands - das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler 1944

von Die Redaktion · 13. Dezember 2005
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Leber, der bereits Ende Januar 1933 inhaftiert und erst nach einer Massendemonstration aus der Lübecker Haft entlassen worden war, bereitete den Kampf im Untergrund vor. Weil die Nationalsozialisten dies erkannten, hielten sie Leber wie auch seine Freunde Carlo Mierendorff und Wilhelm Leuschner lange Jahre gefangen. Ihren Widerstandswillen konnten sie trotz Folter nicht brechen. Wäre am 20. Juli alles nach Plan gelaufen, wäre Leber sogar Innenminister geworden. Stattdessen wurde er vom Volksgerichtshof verurteilt und hingerichtet.

Der breite sozialdemokratische Widerstand erscheint häufig vor allem als Versuch, das sozialdemokratische Gedankengut zu pflegen und weiter zu entwickeln. Sozialdemokraten im Umkreis des 20. Juli korrigieren dieses Bild, denn sie wollten handeln. Dazu mussten sie innerparteiliche Differenzen klären und überwinden, die junge und alte, linke und rechte ("militante") Sozialdemokraten geprägt hatten. Im Vergleich zu den Kommunisten hatten sozialdemokratische Regimegegner einen entscheidenden Vorteil: Weil sie sich auf engere Freundeskreise konzentrierten und zurückhaltender agierten, wurden sie seltener inhaftiert.

In die sich 1939 herausbildenden, bürgerlich-militärischen Widerstandskreise um den früheren Leipziger Oberbürgermeister Karl Friedrich Goerdeler und um General Ludwig Beck konnten sich Sozialdemokraten vergleichsweise problemlos einbinden. Sie wurden als wichtige Verbindung zur Arbeiterschaft angesehen und sollten helfen, einen möglichen Umsturzversuch erfolgreich enden zu lassen.

Eine entscheidende Rolle spielte dabei der Gewerkschafter Wilhelm Leuschner, der im Falle eines gelungenen Umsturzes die Aufgaben eines Vizekanzlers wahrnehmen sollte. Ihm, der in engem Kontakt zu Goerdeler, Beck und auch Stauffenberg stand, gelang es, den militärischen Widerstand mit wichtigen Vertretern der Arbeiterbewegungen zusammenzubringen. Einige von ihnen, wie Julius Leber und Adolf Reichwein, suchten auf Bitten von Stauffenberg sogar Kontakt zum kommunistischen Widerstand, um auf diese Weise die "Massenbasis" dieser "Widerstandsbewegung ohne Volk" noch stärker zu erweitern.

Leber und Reichwein waren über den 1942 entstandenen, christlich-konservativen Kreisauer Kreis an den Vorbereitungen des 20. Juli beteiligt. Sie wussten genau, was Kommunismus und Sozialdemokratie trennte, und lehnten eine Einheitspartei ab. Aber sie wollten Hitler auf jeden Fall stürzen. Die Auseinandersetzung über die politische Neuordnung Deutschlands verschoben sie auf die Zeit nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. Weil sie sich ihrer Rolle im Widerstand bewusst waren, kannten sie, wie auch die anderen Sozialdemokraten im Umkreis des 20. Juli 1944, keine Berührungsängste.

Insofern unterscheiden sich die Genannten, unabhängig von ihrer politischen Präferenz und Tradition, von der Mehrheit der Deutschen, die Hitler willig bis in den Mai 1945 folgten. In ihrem Schicksal wird die Tragödie von Menschen sichtbar, die versuchten, im Widerstand von Militärs auch die Tradition der demokratischen Arbeiterbewegung sichtbar zu machen. Sozialdemokraten im Umkreis des 20. Juli 1944 wurden ermordet, weil sie den Nationalsozialisten den Anspruch auf die Zukunft streitig gemacht hatten. Auch daran ist zu denken, wenn man über das gescheiterte Attentat Stauffenbergs auf Hitler spricht.

Von Prof Dr. Peter Steinbach, Leiter des Instituts für Geschichte an der Universität Karlsruhe und der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.

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