Karl Marx: Vom Radikaldemokraten zum Kommunisten
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„Der als Radikaldemokrat in Paris eingetroffene Marx verließ die Stadt als überzeugter Klassenkämpfer und Kommunist“, schreibt Jan Gerber in seiner im April erschienenen Biographie „Karl Marx in Paris. Die Entdeckung des Kommunismus“. Den Fragen, wie es zu diesem Wandel kam und welchen Einfluss die Stadt an der Seine auf Marx ausgeübt hat, geht der Historiker Jan Gerber in seinem Buch über den revolutionsbegeisterten Philosophen nach.
Eintauchen in die Welt des Sozialismus
In Paris entwickelte Marx seine Ideen, die er später im „Kommunistischen Manifest“ gemeinsam mit Friedrich Engels festhielt. Zwar habe Marx schon zuvor Gefallen an der Revolution gefunden, so der Autor, allerdings unter demokratischen Vorzeichen. „Seine Hinwendung zum Klassenkampf, zum Kommunismus und zum Proletariat“ kommt erst seines 15 Monate langen Aufenthalts in Paris auf.
Wie es dazu kommt, erklärt Gerber dem Leser sehr detailreich: Die Kontakte zu Wortführern der geheimen Arbeitergruppen hatten etwa einen erheblichen Einfluss auf Marx. „Durch sie kam er mit einer Welt in Berührung, mit der er bald selbst identifiziert werden sollte: der Welt des Sozialismus“, schreibt der Historiker. Auch die in Frankreich weiter als in Deutschland vorangeschrittene Industrialisierung und seine umfangreiche Lektüre über die Französische Revolution prägten Marx’ Denken und sein Werk.
Keine Schönmalerei
Gerber zeigt mit seinen Schilderungen, dass Marx’ Gedanken nicht von ungefähr kamen. Durch die Beschreibung der damaligen Verhältnisse, sei es in der Darstellung von Paris oder Brüssel und London im Verlauf des Buches, der politischen Umstände sowie der Bevölkerung vermittelt der Autor dem Leser ein umfassendes Bild der Zeit, in der Marx lebte.
So macht er die Verflechtung zwischen den örtlichen sowie zeitlichen Umständen, der Entwicklung Marx’ Denkens und seinem persönlichen Schicksal deutlich, wenn er die kurzen Höhen und länger andauernden Tiefen von Marx’ zwischenzeitlichen journalistischen Gehversuchen darstellt. Das gelingt Gerber auch, wenn er erklärt, weshalb Marx wegen umstrittener Texte wieder einmal das Land verlassen und in ein neues Exil aufbrechen muss.
Umstrittenes Kapitel
Jan Gerbers Biographie ist keine Schönmalerei des Lebens und Schaffens des Philosophen und Ökonomen. Auch umstrittene Kapitel aus Marx’ Geschichte wie etwa seinen Artikel zur Judenfrage, für den Marx – trotz seines jüdischen Vaters – Antisemitismus vorgeworfen wird, thematisiert der Autor.
Gerber feiert also nicht unreflektiert den 200. Geburtstag von Karl Marx, sondern beleuchtet sein Leben und Werk kritisch. Damit bringt er eine Biographie auf den Büchermarkt, die sich sowohl für Marx-Kenner als auch für Leser ohne Vorwissen eignet. Gleichzeitig stellt sie die Ideen des Denkers vor dem Hintergrund ihres Entstehens gut dar.
Jan Gerber: Karl Marx in Paris. Die Entdeckung des Kommunismus, Piper Verlag, 240 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-492-05891-9