Journalist im Widerstand
Manfred Dammeyers neu erschienenes Buch „Handschlag – Eyvind Johnson – Torolf Elster – Willy Brandt und ihre Widerstandszeitung aus Schweden für das von den Nationalsozialisten besetzte Norwegen“ beleuchtet zum ersten Mal die Rolle Willy Brandts als Journalist im schwedischen Exil. Der „Handschlag“ erschien von Juni 1942 bis Juni 1945 alle zwei Wochen in Stockholm. Herausgeber war der schwedischen Schriftsteller Eyvind Johnson, der 1974 den Literaturnobelpreis erhielt. Torolf Elster und Willy Brandt schrieben Beiträge über den Krieg und die Widerstandsgruppe „norwegische Heimatfront“. Ein weiterer berühmter Schreiber war Literaturnobelpreisträger John Steinbeck, der kleinere Beiträge für die Exilzeitung verfasste.
In Deutschland fast unbekannt
Die Exilzeitung ist in Deutschland fast unbekannt. Die Standardbiographien über Willy Brandt gehen entweder gar nicht oder nur am Rande auf dieses wichtige Kapitel in seinem Leben ein. Ein Grund dafür mag sein, dass Brandt selbst seinen wichtigen Beitrag zum Widerstand gegen das Nazi-Regime nie in den Vordergrund gestellt hat.
Die deutsche Wehrmacht hatte Norwegen am 9. Mai 1940 besetzt und die Nationalsozialisten installierten ein Marionetten-Regime unter dem norwegischen Regierungschef Quisling, während die SS, Gestapo und der Sicherheitsdienst Terror verbreiteten. Für viele wurde der „Handschlag“ mit „Informationen und Orientierung für Norweger“ zur wichtigsten Informationsquelle während der deutschen Besatzung. Brandt, der 1931 der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) beigetreten war, floh nach deren Verbot durch die Nationalsozialisten 1933 über Dänemark nach Norwegen. Dort war er journalistisch tätig und arbeitete in der Exilarbeit der SAPD mit.
„Wichtigster Publizist im Krieg für Norwegen“
Mit Dammeyers Buch liegen nun zum ersten Mal Übersetzungen des „Handschlag“ aus dem Norwegischen und Schwedischen vor. Der Autor, dessen Lebensthemen Bildung und europäische Verständigung sind, hat in mühsamer Arbeit – denn es gibt nur sehr wenige Gesamt-Ausgaben vom „Handschlag“ – die Quellen analysiert. Er stellt eine fast gänzliche unbekannte Facette Willy Brandts als laut dem Autor „wichtigstem Publizist im Krieg für Norwegen“ erstmals in den Vordergrund. Dammeyer stieß auf Willy Brandts Engagement beim „Handschlag“ während der Übersetzung eines Romans von Eyvind Johnson. „Das elektrisierte mich“, sagte der Historiker und untersuchte in seinem Buch auch Brandts Arbeit im „schwedisch-norwegischen Pressebüro“, in dem er über die Verhältnisse in Norwegen während der Besatzung schrieb.
SPD-Chef Gabriel zeigte sich „überrascht“ angesichts der neuen Erkenntnisse über Willy Brandt und sagte, dass auch er kaum etwas über den „Handschlag“ gewusst habe. Er würdigte die „harte und jahrelange Archiv-Arbeit“ Manfred Dammeyers und porträtierte Brandt als einen „Patriot, Europäer und Verteidiger Norwegens und Deutschlands“. Brandt habe aufklären wollen, dass auch viele Deutsche, vor allem aus der Arbeiterbewegung, im Widerstand aktiv waren. Zusammen mit Torolf Elster gehörte er der kleinen Internationale an, in der sozialistische Emigranten Pläne für ein Europa nach dem Sieg über die Nationalsozialisten erarbeiteten.
Besondere Bedeutung für die SPD
In Hinblick auf die derzeit steigende Zahl von Flüchtlingen in Europa und den gleichzeitig ansteigenden Fremdenhass, sagte Gabriel, dass sich die Demokratie an ihre Anfänge erinnern müsse. Durch „konstante sozialdemokratische Solidarität“ hätten viele verfolgte Sozialdemokraten während des NS-Regimes internationale Hilfe im Exil bekommen. Gleichzeitig warnte der SPD-Chef vor rechten Parteien wie den „Schwedendemokraten“, die eine liberale Einwanderungspolitik ablehnen. Für die SPD sei das Buch von besonderer Bedeutung: „Ich wünsche mir, dass das Buch viele lesen und dass es in das kollektive Gedächtnis der Sozialdemokratie eingehen wird.“
Der Kampf Willy Brandts im Widerstand wird nun durch Manfred Dammeyers Buch angemessen gewürdigt und ist ein wichtiger Beitrag zur (nicht nur deutschsprachigen) Exil-Forschung. Ein Satz, den der Sozialist schon 1933 aufschrieb, kommt in den Sinn: „Die Disziplin des dritten Reiches ist Kriechertum und keine Freiheit. Der Antisemitismus und die nationale Hetzpropaganda sind Beschränkung und keine geistige Weite. Der Faschismus ist geistige Sklaverei.“
Manfred Dammeyer: „Handschlag“, Schüren Verlag, Marburg 2015, 432 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978-3-89472-239-5