Geschichte

Heinemann und Rau: Das waren die Bundespräsidenten der SPD

Gustav Heinemann und Johannes Rau hatten vieles gemeinsam: Sie waren bekennende Protestanten, traten zusammen in die SPD ein, machten sich stets für Frieden und Versöhnung stark. Darüber hinaus hatten sie noch eine ganz spezielle Verbindung.
von Lars Haferkamp · 7. Februar 2017
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Dass Gustav Heinemann von 1969 bis 1974 erster sozialdemokratischer Bundespräsident werden sollte, hätte sich in den 50er Jahren niemand träumen lassen. Da ist Heinemann - der 1945 die CDU mitbegründet hatte - nämlich Bundesinnenminister im Kabinett von CDU-Kanzler Adenauer. Doch 1951 tritt der überzeugte Pazifist aus Protest gegen Adenauers Wiederbewaffnungspolitik zurück. 1952 folgt der Austritt aus der CDU.

Heinemann reformiert das Strafrecht

1957 wird Heinemann Sozialdemokrat. Im selben Jahr zieht er für die SPD in den Bundestag. Ein Jahr später ist er Mitglied des Parteivorstands. Als die SPD 1966 erstmals Regierungsverantwortung in Bonn übernimmt, wird Heinemann Bundesjustizminister in der Großen Koalition. Er setzt eine große Strafrechtsreform durch, die auf Erziehung statt Vergeltung setzt.

1969 schaffen SPD und FDP mit knapper Mehrheit die Wahl Heinemanns zum Bundespräsidenten. Es ist ein entscheidender Schritt zur Bildung der sozial-liberalen Koalition wenige Monate später unter Bundeskanzler Willy Brandt.

Für den Bürger, gegen den Obrigkeitsstaat

Als Bundespräsident stellt Heinemann den mündigen Bürger in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Zu den traditionellen Neujahrsempfängen lädt er nicht mehr nur Diplomaten ein, sondern auch Krankenschwestern, Gastarbeiter, Zivildienstleistende und Menschen mit Behinderung. Er ermutigt jeden zum Engagement. Politik müsse „jedermanns Sache werden“, man dürfe sie nicht „den Fachleuten überlassen.“

Heinemann ist gegen jede Form obrigkeiststaatlichen oder gar monarchistischen Denkens. Sein Satz „Ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau“ gilt als Befreiung von antiquierter Vaterlandsliebe vergangener Jahrzehnte. Höfisches Zeremoniell lehnt er ab. „Mir tun alle leid, die sich ohne Orden an der Brust halb nackt fühlen“, scherzt er.

Verständnis für die Jugend

In der Zeit studentischer Proteste zeigt der Präsident großes, aber nicht grenzenloses Verständnis für junge Menschen. „Die Jugend bedarf des Verständnisses und des Mitdenkens der Älteren“, betont er. „Derselben Jugend aber sage ich, dass sie ihre Ziele verfehlt, wenn sie ihre Eltern oder ihre Lehrer oder das sogenannte Establishment wie Feinde behandelt oder demütigen will.“

Auch als Bundespräsident setzt sich Heinemann stets für den Frieden ein. Und das fordert er auch von der Bürgern. Denn für ihn gilt: „Der Friede ist kein Naturpodukt, er wächst aus menschlichem Handeln.“

Auf eine Wiederwahl 1974 verzichtet Heinemann aus Altersgründen. Er stirbt 1976.

Johannes Rau als politischer Ziehsohn Heinemanns

25 Jahre soll es dauern, bis 1999 mit Johannes Rau wieder ein Sozialdemokrat Bundespräsident wird. Rau sieht sich als politischer Ziehsohn Heinemanns. In der 1950er tritt er zusammen mit diesem in die SPD ein. Wie Heinemann ist auch Rau bekennender und engagierter Protestant. Als Rau 1984 mit Christina Delius eine Enkelin Heinemann heiratet, wird er sogar mit seinem früheren Ziehvater verwandt.

Johannes Raus Karriere beginnt in Nordrhein-Westfalen. Als Wissenschaftsminister gründet er im Land von Kohle und Stahl zahlreiche Hochschulen und die erste Fernuniversität Deutschlands.

„Versöhnen statt spalten“

1978 wird er Ministerpräsident. Drei mal in Folge holt er für die SPD die absolute Mehrheit. „Versöhnen statt spalten“ heißt das Motto seiner Politik. Als Landesvater genießt er eine überragende Popularität und auch bundesweit gilt er viele Jahre als populärster SPD-Politiker. So wird er 1987 Kanzlerkandidat der SPD. Er scheitert gegen Amtsinhaber Helmut Kohl. Bis 1998 regiert als Ministerpräsident und 20 Jahren länger als jeder seiner Vorgänger oder Nachfolger.

Bereits 1994 kandidiert Rau in der Bundesversammlung als Bundespräsident, unterliegt jedoch knapp Roman Herzog. 1999 ist es schließlich soweit: Rot-Grün hat erstmals eine Mehrheit in der Bundesversammlung, Johannes Rau wird Staatsoberhaupt.

Zuwanderung ohne Angst und Träumereien

„Ich will der Bundespräsident aller Deutschen sein und der Ansprechpartner für alle Menschen, die ohne einen deutschen Pass bei uns leben“, kündigt er schon in seiner Antrittsrede an. Einwanderung wird sein großes Thema. So fordert er immer wieder, „wir müssen über Zuwanderung und Zusammenleben in Deutschland reden – über die Chancen und die Probleme. Und wir müssen handeln – und zwar ohne Angst und ohne Träumereien.“

Nachdrücklich warnt Rau vor Rassismus. Den Unterschied zwischen Nationalismus und Patriotismus erklärt er so: „Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“

Stets ein Freund Israels

Die Versöhnung zwischen Deutschen und Juden ist Rau ein besonderes Anliegen. Über 30 mal besucht er im Laufe seines politischen Lebens Israel. Als erster Bundespräsident hält Johannes Rau im israelischen Parlament ein Rede und dies auf Deutsch. Dort bittet er mit bewegenden Worten um Vergebung: „Im Angesicht des Volkes Israel verneige ich mich in Demut vor den Ermordeten, die keine Gräber haben, an denen ich sie um Vergebung bitten könnte.“

Auf seinen Reisen setzt sich Rau stets für die Menschenrechte ein. In China etwa stellt er klar, „Kritik am Stand der Menschenrechte in anderen Staaten ist keine Einmischung in deren innere Angelegenheiten.“ Menschenrechte seien nicht „westlich“, sondern universell.

Damit Feindschaft verschwindet

„Ich wollte, dass Feindschaft verschwindet, dass Versöhnung gelingt. Ich denke, da habe ich einiges bewirken können“, bilanziert Rau seine Amtszeit. Für eine zweite tritt er 2004 nicht mehr an. 2006 stirbt er.

Sein Grab in Berlin wird zu einer Pilgerstätte. Regelmäßig werden dort Blumen und Kränze niedergelegt, zuletzt an seinem elften Todestag, dem 27. Januar 2017, von seiner Witwe Christina Rau, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan.

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