Gründungszeit der SPD: Warum Frauen eine wichtige Rolle spielten
Bundesarchiv (SAPMO)
An der Gründung erster Arbeiter-Organisationen 1848 waren – heute oft vergessen – auch Frauen beteiligt. Sie hatten während der Revolution auf den Barrikaden mitgekämpft. Nach dem Scheitern der Revolution erließen Preußen und Bayern Vereinsgesetze, die „Frauenspersonen“ nicht als Mitglieder politischer Vereine zuließen. Diese Diskriminierung wurde erst 1908 aufgehoben.
Frauen trotzten Gewalt, Geldstrafen und Gefängnis
Zudem verbot das Sozialistengesetz von 1879 bis 1890 alle sozialdemokratischen Frauenzusammenschlüsse. Viele der „männlichen Genossen“ mussten erst überzeugt werden, dass Frauen ein Recht auf Erwerbstätigkeit und gleichen Lohn für gleiche Arbeit hatten. Vom Wahlrecht waren Frauen gänzlich ausgeschlossen. Die sozialdemokratischen Frauen hatten dennoch entscheidenden Anteil am Aufstieg der Arbeiterbewegung.
Nach dem Motto: „Können wir nicht wählen, so können wir doch wühlen“, beteiligten sich Sozialistinnen an den Wahlkämpfen von Landtags- und Reichstagsabgeordneten und gründeten selbst Vereine. In die Geschichte eingegangen ist Pauline Staegemann (1838–1909), Dienstmädchen in Berlin und eine der ersten Frauen, die in der SPD führend auftraten.
1873 gründete sie den „Berliner Arbeiterfrauen- und Mädchenverein“, der später als die erste sozialdemokratisch orientierte Frauenorganisation bezeichnet wurde. Die Frauen wollten die Lage der Arbeiterinnen verbessern und kämpften für die völlige Gleichberechtigung. Trotz aller Vorsicht wurde der Verein 1877 verboten. Die Obrigkeit hatte nicht übersehen, dass die Mitglieder zugunsten der Sozialdemokratie agitierten.
Hunderte Agitatorinnen für die SPD-Parteiarbeit
In den knapp fünf Jahren seines Bestehens hatte der Verein sozialistisches Gedankengut und gewerkschaftliche Vorstellungen unter den Arbeiterinnen verbreitet. Im Verbotsurteil hieß es, der Verein wollte auch auf die Männer und die Kindererziehung Einfluss auszuüben. Deshalb wurde Pauline Staegemann wegen Indoktrinierung von Kindern ins Gefängnis gesteckt.
Die Frauen ließen nicht locker, obwohl sie mit Gewalt, Geldstrafen und Gefängnis traktiert wurden. Sie gründeten immer neue Vereine, die regelmäßig wieder aufgelöst wurden. Deshalb war die sozialdemokratische Frauenbewegung zunächst nur „klein und engmaschig“. An der Gründung des „Vereins zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen“ 1885 war auch Emma Ihrer (1857 bis 1911) beteiligt, die als erste Frau der Generalkommission der Gewerkschaften angehörte.
Sie war Herausgeberin der ersten proletarischen Frauenzeitschrift „Die Arbeiterin“. Als der „Fachverein für Berliner Mantelnäherinnen“ gegründet wurde, war zudem die Schneiderin und SPD-Agitatorin Agnes Wabnitz (1841– 1891) dabei. Sie konnte viele Arbeiterinnen gewinnen. 1892 wurde sie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, trat in den Hungerstreik und kam in eine Irrenanstalt.
Frauen führten politischen Kampf in illegal weiter
Um erneuter Haft zu entgehen, nahm sie sich 1894 das Leben. Ihre Beerdigung, der mehr als 60.000 Menschen folgten, wurde zur sozialdemokratischen Demonstration gegen die soziale Ungerechtigkeit des Kaiserreiches. Nicht immer verlief die Geschichte so tragisch. Die Frauen führten den politischen Kampf in der Illegalität weiter.
Je mehr Erfolg sie hatten, umso gefährlicher erschienen sie den Herrschenden. Der Tarnung und Verfolgung überdrüssig, gründeten sie schließlich keine Vereine mehr, sondern organisierten ab 1889 „Agitationskommissionen“. Als auch diese verboten wurden, erfanden sie Vertrauenspersonen, denn einzelne Personen konnte man nicht verbieten.
Binnen kurzer Zeit bildete sich ein Netz von circa 400 Agitatorinnen für die SPD-Parteiarbeit. Eine der ersten wurde 1899 die Heimarbeiterin und mitreißende Rednerin Ottilie Baader (1847 bis 1927). Am 15. September 1900 wurde sie während der ersten Sozialdemokratischen Frauenkonferenz in Mainz zur „Zentralvertrauensperson der Genossinnen Deutschlands“ gewählt.
Sie wurde zur ersten hauptamtlichen Parteifunktionärin der SPD. 1908 überließ sie der jüngeren Luise Zietz (1865 bis 1922) das Amt und den neu eingerichteten einzigen Sitz für Frauen im Parteivorstand, arbeitete aber noch weiter im Frauenbüro mit, bis es 1912 aufgelöst wurde.
ist Historikerin und war bis 2007 wissenschaftliche Referentin im Historischen Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung und Lehrbeauftragte an vd. Universitäten. Sie lebt und arbeitet freiberuflich in Berlin und gibt seit 2003 den Kalender „Wegbereiterinnen“ mit 12 Frauenbiografien der emanzipatorischen Bewegungen heraus.