Geschichte

Gesetz über die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz: Was lange währt

Vor 35 Jahren trat das Gesetz über die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz in Kraft. Die Bundesregierung nahm das „Frauenthema“ lange nicht ernst – und hatte abenteuerliche Erklärungen parat, warum es ein Gesetz gegen Diskriminierung nicht braucht.
von · 13. August 2015

Energisch hatten Elisabeth Selbert und die anderen Frauen im Parlamentarischen Rat dafür gekämpft, endlich stand es schwarz auf weiß im Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Schöne Worte, die Realität aber sah anders aus.

Die Europäische Gemeinschaft als Vorreiter

Frauen hatten im Nachkriegsdeutschland mitnichten die gleichen Rechte wie Männer. Dafür sorgte zum Beispiel der sogenannte „Gehorsamkeitsparagraph“ im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) – ein Relikt aus dem Jahr 1896. Wollte eine Frau arbeiten gehen, so musste sie zuerst die Erlaubnis ihres Ehemanns einholen. Die ehelichen Pflichten standen schließlich über allem und wehe, frau schickte sich an, diese durch eine außerhäusige Tätigkeit zu vernachlässigen. Erst 1957 wurde diese Bestimmung gestrichen. Bis 1977 dauerte es aber noch, bis Frauen tatsächlich alleine entscheiden konnten, ob und wie sie berufstätig sein wollten.

Es tat sich also etwas und bestehende Gesetze wurden dem Gleichberechtigungsprinzip des Grundgesetzes zunehmend angepasst. Worum sich allerdings niemand kümmerte, war die Diskriminierung im Arbeitsleben. Bis sich der Rat der Europäischen Gemeinschaft (EG) einschaltete. 1975 war die „erste Richtlinie über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen“ zu europäischem Recht geworden. 1976 folgte die „zweite Richtlinie zur Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen“.

Mehrmalige Verwarnung an Deutschland

Da europäisches Recht über nationalem steht, musste Deutschland wie alle anderen EG-Mitgliedstaaten seine Gesetze den europäischen Richtlinien anpassen. Die deutsche Regierung unter Helmut Schmidt hatte es allerdings nicht so richtig eilig damit. Schließlich – so die logische Begründung – seien Männer und Frauen in Deutschland ja laut Grundgesetz gleichberechtigt und in Artikel 3 GG heiße es sogar, niemand „dürfe wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt“ werden. Und weil das so war, konnte Diskriminierung gar nicht stattfinden.

Auf europäischer Ebene zeigte man sich von dieser abenteuerlichen Begründung wenig beeindruckt. Stattdessen wurde Deutschland mehrmals verwarnt. Als auch das in Bonn nicht zum Umdenken führte, drohte der Europäische Gerichtshof der Bundesrepublik mit einem Vertragsverletzungsverfahren – und siehe da, plötzlich ging es ganz schnell mit dem „Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang“.

Lächerliche Strafen

Das BGB erhielt den neuen Paragrafen 611a: „Der Arbeitgeber darf einem Arbeitnehmer (...) bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder Kündigung nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen.“ Am 14. August 1980 trat das Gesetz in Kraft. In Bonn fand man, man habe seine Pflicht damit nun getan. Die EG-Kommission sah das anders: Die für einen Gesetzesverstoß vorgesehenen Strafen waren lächerlich, der Bundesrepublik wurde eine Rüge erteilt.

Auch diesmal brauchte die Bundesregierung wieder etwas länger, um zu reagieren. Das „zweite Gleichberechtigungsgesetz“ trat 1994 in Kraft und die bloße Aufforderung zur Nichtdiskriminierung wurde in konkrete Verbote verwandelt. Seit 2006 gilt das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, auch „Antidiskriminierungsgesetz“ genannt. Ausgangspunkt dafür waren vier europäische Richtlinien aus den Jahren 2000 bis 2004. Überraschung: Die Europäische Kommission überprüft gerade, ob die europäischen Richtlinien tatsächlich ausreichend umgesetzt wurden. In Sachen Gleichberechtigung braucht Deutschland offenbar einfach immer ein bisschen länger.

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