Geschichte

Gerechter unter den Völkern

34 Jahre beim und im Parteivorstand, fast 30 Jahre Herausgeber des "Vorwärts", lange Zeit Geschäftsführer der SPD-Holding Konzentration GmbH: Heine war in schwieriger Zeit Partisan der Partei und ist bis heute Teil ihres guten Gewissens. Er hat es längst weggesteckt, dass er in der Funktion eines "Propaganda- und Pressechefs" (1946 bis 1958) auch für Niederlagen der SPD bei den Bundestagswahlen der 50er-Jahre und für den Niedergang der SPD-Presse verantwortlich gemacht wurde.
von Rolf Kasiske · 16. Februar 2006
placeholder

1958 hatte Heine verbittert reagiert, als ihn der Stuttgarter Parteitag nicht in das Amt des für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Vorstandsmitglieds wiederwählte. "Diese Jahre", sagte er damals, "haben mir das Glück gegeben, das leider viel zu wenig Menschen beschieden ist: Tag für Tag, viele tausend Tage, mit Freunden arbeiten zu können und in der Überzeugung, einer Aufgabe zu dienen, die es wert ist, sich ihr voll zu ergeben."

Viele Etiketten

Fritz Heine, schon im Sprachgebrauch der 50er-Jahre eher "Traditionalist" als "Modernisierer", hat viele Etiketten verpasst bekommen. Für seine Genossinnen und Genossen war er die "graue Eminenz" im Parteivorstand, für die SED ein "angloamerikanischer Agent", für die Historiker "eine der wichtigsten Figuren des Widerstands der Partei gegen die Nazis", für Hunderte Juden auf dem Weg von Marseille nach Amerika ihr "furchtloser, selbstloser Retter", ein Mann, der vielleicht noch mehr riskierte als der spät zu Ruhm gekommene Fabrikant Oscar Schindler.

In die SPD war Fritz Heine, Sohn eines Orgelbauers, mit 21 Jahren eingetreten. Er hatte eine Lehre als Großhandelskaufmann absolviert, war Werbeassistent eines Druckmaschinenherstellers und dann Lokalsport-Reporter geworden. Ins Berliner "Vorwärts"-Haus kam er zunächst als Redaktionsvolontär.

Widerstand - so und so

Heine baut in der SPD-Zentrale eine Propaganda-Abteilung auf, die Zeitungen auswertet, Flugblätter und Plakate gestaltet und erstmals auch den Tonfilm in die Aufklärungsarbeit einbezieht. Den Vormarsch der Nazis halten all diese Aktivitäten nicht auf.

Nach Hitlers Machtübernahme und dem Betätigungsverbot gegen die SPD geht Fritz Heine zum Exilvorstand der SPD (nun "Sopade") nach Prag. Von hier aus wirkt er in den Folgejahren maßgeblich daran mit, den "Neuen Vorwärts" und die "Deutschland-Berichte" zu verbreiten.

Wenn heute überhaupt wahrgenommen wird, dass sich gegen das Naziregime nicht nur das Gewissen einiger Offiziere erhob, sondern dass es auch, wenngleich ebenfalls vergeblich, Widerstand in der Arbeiterschaft gab, ist das wesentlich Fritz Heine und seinen Kurieren zu danken, die für ihr Tun damals ihr Leben riskierten.

Als der Exilvorstand 1938 Prag verlassen muss und nach Frankreich geht, ist es wieder Fritz Heine, der sich umsichtig und geschickt des Schicksals der Emigranten annimmt, die in Marseille festsitzen. Am Ende hat er dank seiner Verbindungen zu jüdischen Organisationen in den USA und zur "German Labor Delegation" an die 1000 Emigranten zu Visa und Geld für die Schiffspassagen verholfen.

Im Oktober 1945 kehren Fritz Heine und Erich Ollenhauer, später Parteivorsitzender, aus London, ihrer letzten Exilstation, nach Deutschland zurück, um in Hannover an der Seite Kurt Schumachers die SPD neu aufzubauen.

Fritz Heine trägt seit 1986 den israelischen Ehrentitel "Gerechter unter den Völkern". Dass er in den 50er-Jahren zu sehr an den alten Konzepten aus der Weimarer Republik gehangen hat und nicht beweglich genug war, um die SPD für neue Wählerschichten zu öffnen, hat Heine längst eingesehen: "Ja, wir haben Fehler gemacht und uns Illusionen hingegeben."

Und die derzeitige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung? Wird sie nach dem Fall der Mauer und dem Ende der staatssozialistischen Regime eine Art Ewigkeitswert haben? "Nein", sagt Fritz Heine, "das glaube ich nicht, alles wandelt sich doch."

Rolf Kasiske (Quelle: vorwärts 10/2001)

0 Kommentare
Noch keine Kommentare