Geschichte

Fritz Bauer. Einsamer Gerechter

Fritz Bauer war nicht nur Initiator zahlreicher Prozesse gegen NS-Täter, die heute als Meilenstein gelten, sondern hatte auch einen erheblichen Anteil an der internationalen Fahndung und Ergreifung von Verbrechern wie Adolf Eichmann.
von Felix Wiedemann · 21. März 2009
In der Serie „Aufrechte Demokraten“ wird Fritz Bauer mit einer Briefmarke geehrt.
In der Serie „Aufrechte Demokraten“ wird Fritz Bauer mit einer Briefmarke geehrt.

Der am 16. Juli 1903 in Stuttgart geborene Fritz Bauer hatte selbst Erfahrung mit dem nationalsozialisti-schen Verfolgungsapparat gemacht: Unmittelbar nach der Machtübernahme war er als Jude und Sozialdemokrat in "Schutzhaft" genommen und für acht Monate in das württembergische Konzentrationslager Heuberg verschleppt worden.

Flucht nach Kopenhagen

Ende 1935 schaffte er es schließlich, nach Kopenhagen zu flüchten und später auch seine Eltern nachzuholen. Während des dänischen bzw. schwedischen Exils unterhielt er rege Kontakte zu führenden Sozialdemokraten wie Kurt Schumacher, später auch zu Willy Brandt, mit dem er gut befreundet war.

Ausführlich, wenn auch etwas langatmig schildert Wojak die erbittert geführten Debatten innerhalb der Exil-SPD über die Gestaltung Nachkriegsdeutschlands. Dabei ging es vor allem um den Umgang mit der KPD. In dieser Frage standen sich linksorientierte Sozialdemokraten, zu denen auch Bauer gehörte, und stramme Antikommunisten wie der schwedische Landesvertreter der Exil-SPD Kurt Heinig, erbittert gegenüber.

Bemerkenswert an diesen weitschweifigen Diskussionen ist aber allemal, das letztere offenkundig auch vor antisemitischen Stereotypen zur Diffamierung ihrer Rivalen nicht zurückschreckten.

Wegweisender Prozess gegen Otto Ernst Remer

Bauers eigentliches Betätigungsfeld blieb aber immer die Justiz, und so verfasste er bereits vor Kriegsende zahlreiche Artikel und Schriften, die sich mit der Frage des juristischen Umgangs mit den NS-Tätern befassten. Dabei stand er der deutschen Nachkriegsgesellschaft stets skeptisch gegenüber und kehrte auch erst 1949 aus Kopenhagen nach Deutschland zurück, um eine Stelle als Landgerichtsdirektor - später Generalstaatsanwalt - in Braunschweig anzutreten.

Während dieser Zeit wurde er vor allem durch den aufsehenerregenden Prozess gegen Otto Ernst Remer bekannt, der als Kommandant des Berliner Wachbataillons "Großdeutschland" maßgeblich an der Niederschlagung des 20. Juli beteiligt war (gerade im Film "Operation Walküre" zu sehen). Als Vorsitzender der später verbotenen nazistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP) hatte sich Remer vielfach öffentlich dafür gerühmt, gegen die "Landesverräter" vorgegangen zu sein.

Der Prozess gegen die Verunglimpfung des militärischen Widerstandes – an eine gesellschaftliche Rehabilitierung des linken Widerstandes war Anfang der 1950er Jahre ohnehin nicht zu denken – gilt schließlich bis heute als wegweisend.

Initiator des Ausschwitzprozesses

Der Name Fritz Bauer ist aber bis heute vornehmlich mit seiner Tätigkeit als hessischer Generalstaatsanwalt in Frankfurt ab 1956 verbunden. Mitte der 1950er Jahre waren die NS-Prozesse fast gänzlich "abgewickelt", und es ist keineswegs übertrieben, das Zustandekommen der großen NS-Prozesse in den 1960er Jahren im Wesentlichen auf das Wirken Bauers zurückzuführen.

Am Anfang und im Mittelpunkt stand dabei zweifellos der große Ausschwitzprozess zwischen 1963 und 1965, in dem sich 22 Schergen des Vernichtungslagers zu verantworten hatten (17 von diesen wurden schließlich verurteilt). Es folgten langjährige Verfahren gegen die Verantwortlichen der "Euthanasie"-Morde, vorwiegend Ärzte und Juristen.

Grenzen der Gerechtigkeit

Hier zeigten sich jedoch offenkundig die Grenzen der juristischen Aufarbeitung in einer Gesellschaft, in der gerade die Verbrecher aus den oberen Schichten zum großen Teil noch in Amt und Würde waren bzw. in den Parlamenten saßen. Zu Lebzeiten Bauers wurde jedenfalls kein einziger der mörderischen Ärzte verurteilt. Vielmehr ergingen sogar skandalöse Urteile, in denen die Täter auch noch ihrer edlen Gesinnung gelobt wurden.

Zudem litten die NS-Prozesse grundsätzlich unter der fadenscheinigen Konstruktion des "Gehilfen" - d.h. sämtliche Täter wurden lediglich der "Beihilfe" zum Mord bezichtigt, weil man davon ausging, dass nur die die enge Clique um Hitler (aus der inzwischen ja niemand mehr lebte) als eigenverantwortliche Täter hätten belangt werden können.

Einsames Ende

All dies führte dazu, dass Bauer, der auch persönlich die übelsten antisemitischen Beleidigungen und Drohungen übersich ergehen lassen musste, zunehmend verzweifelte und, wie Wojak beschreibt, wohl auch vereinsamte. War sein Blick auf die bundesdeutsche Gesellschaft schon immer pessimistisch gewesen, so verfinsterte sich seine Stimmung im Laufe der Jahre zu der düsteren Überzeugung, nichts erreicht zu haben.

Am Ende starb er einen einsamen und traurigen Tod: Unter ungeklärten Umständen fand man ihn am 1. Juli 1968 tot in der Badewanne seiner Frankfurter Wohnung. Nicht nur Interessenten an Nationalsozialismus und bundesdeutscher Vergangenheitspolitik sei diese gut recherchierte und einfühlsam geschriebene Biographie wärmstens empfohlen.

Zum Weiterlesen: Irmtrud Wojak, Fritz Bauer. Eine Biographie, C.H. Beck Verlag, München 2009, 638 S., 34 Euro

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