Geschichte

Friedrich Ebert: Der pragmatische Realpolitiker

Im Februar 1919 wird der Sozialdemokrat Friedrich Ebert zum ersten deutschen Präsidenten gewählt. Der Historiker Walter Mühlhausen beschreibt in seiner Biografie die Konfliktlinien Eberts, innerhalb der SPD und als Verteidiger der Demokratie.
von Katharina Korn · 16. Januar 2019
Friedrich Ebert verstarb am 28. Februar 1925. Sein politischer Wille lebt bis heute in der nach ihm benannten Stiftung weiter.
Friedrich Ebert verstarb am 28. Februar 1925. Sein politischer Wille lebt bis heute in der nach ihm benannten Stiftung weiter.

Am 11. Februar 1919 wählt die Weimarer Nationalversammlung Friedrich Ebert zum ersten Reichspräsidenten der Republik. Damit erhält Deutschland zum ersten Mal ein demokratisch gewähltes, nachrevolutionäres Staatsoberhaupt. Um dort hinzukommen, muss Ebert schwierige Kompromisse eingehen, die beim radikalen Flügel der SPD auf harsche Kritik stoßen und letztendlich zur Spaltung der Partei führen.

Der Historiker Walter Mühlhausen zeichnet nun in seiner Biografie von Ebert nach, wie der ehemalige Sattlergeselle die politische Karriereleiter in der SPD aufsteigt und sich zum Inbegriff des bürgerlichen Staatsmannes der Mitte entwickelt.

Klischeebilder über Ebert aufbrechen

Lesenswert ist die Biographie, weil Mühlhausen versucht, verbreitete Klischeebilder über Ebert aus der Adenauer-Zeit, der DDR und den 1960er-Jahren aufzubrechen. Von Stereotypisierungen – etwa zum Beschützer vor der „Bolschewisierung“ oder zum „Arbeiterverräter – distanziert sich der Autor. Stattdessen betont er Eberts pragmatische Einstellung und seinen Sinn für die Notwendigkeit sozialer Reformen. Mühlhausens Ansicht nach habe Ebert „auf Verbesserungen im Hier und Heute“ gesetzt und nichts davon gehalten, „die eigene Gefolgschaft auf eine utopische Heilsgesellschaft in ferner Zukunft zu vertrösten“.

Etwas bröckelt das Bild vom reformorientierten Realpolitiker – beispielsweise bei Eberts Verteidigung der Burgfriedenspolitik: Einige der Sozialdemokraten, die den Kriegskrediten 1914 zustimmen, hoffen, dass die Reichsführung dies mit der Demokratisierung des preußischen Dreiklassenwahlrechts belohnen würde. Ebert aber postuliert – wie Mühlhausen anmerkt – noch im zweiten Kriegsjahr, dass die Landesverteidigung kein „Objekt eines politischen Schachergeschäfts“ sei. Abgeschafft wird das ungleiche Wahlrecht erst im November 1918.

Schuld am Scheitern der Republik

Die Einschätzung von Eberts Politikstil bleibt ambivalent. Insbesondere ist man sich in der Forschung uneinig darüber, ob – und wenn ja, welche – Verantwortung Ebert für das Scheitern der Weimarer Republik trägt. Diese Kontroverse greift auch Mühlhausen auf und verteidigt die Beharrlichkeit von Eberts politischem Willen. Als „Mann der Tat und der Verantwortung“ habe er stets versucht, die SPD zum Erfolg zu führen und die Einheit der Partei über die Katastrophe des Ersten Weltkrieges hinweg zu retten. Dabei habe er beständig am Vorrang der demokratisch-parlamentarischen Ordnung festgehalten.

Letztlich dreht sich die Diskussion um die Niederlage der Weimarer Republik auch um die heute wieder aktuelle Frage, wo die Schmerzgrenze zwischen Regierungsverantwortung und Verlust seiner politischen Heimat verläuft.

Walter Mühlhausen: Friedrich Ebert, Verlag J. H. W. Dietz Nachf., 184 Seiten, 10 Euro, 184 Seiten, 10 Euro, ISBN 978-3-8012-4248-0

Autor*in
Katharina Korn

studiert Geschichte und Deutsche Literatur und war Praktikantin in der vorwärts-Redaktion von Oktober bis Dezember 2018.

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