vorwärts.de: Welche Bedeutung hat für Sie der 8. März?
Manuela Schwesig: Frauen haben viel erreicht und Rechte erkämpft, die wir auch nutzen müssen. Darauf müssen wir hinweisen. Denn trotz gleicher Rechte ist noch lange keine Gleichstellung erreicht. Zum Beispiel ist der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" nicht verwirklicht. Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern liegt in Deutschland bei 23 Prozent. Wir brauchen mehr weibliche Führungskräfte und mehr Mitspracherecht in der Wirtschaft. Deshalb setze ich mich für eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent in den Aufsichtsräten ein.
Werden Sie sich als stellvertretende SPD-Vorsitzende auch für Frauen stark machen?
Ja, klar. Frauen müssen in der Politik mitmischen. Mein Anspruch ist es, dass Frauen, wenn sie Führungspositionen erreicht haben, diese auch nutzen, um sich für Frauen stark zu machen. Das vermisse ich oft bei Frauen, die es geschafft haben, ganz besonders bei unserer Bundeskanzlerin. Und auch bei der jetzigen Sozialministerin und der Frauenministerin. Das sind alles Frauen in Führungspositionen, aber ich erlebe nicht, dass sie sich für die Belange von Frauen einsetzen. Ich möchte konkrete Initiativen unterstützen. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nach guter Kinderbetreuung ist da nur ein Punkt von vielen. Denn Frauen wollen ja nicht allein über ihr Familienleben und ihre Kinder wahrgenommen werden, sondern auch über ihre anderen Potenziale. Deshalb ist die Lohngleichheit so wichtig und die Frauenquote in der Privatwirtschaft.
Wird es eine SPD-Zukunftswerkstatt für Frauen geben?
Nein, wir wollen keine Extrazukunftswerkstatt zum Thema Frauen machen. Wir haben den Anspruch, dass jede Zukunftswerkstatt mindestens ein frauenpolitisches Thema aufrufen muss. Damit machen wir klar, dass es sich um ein Querschnittthemenfeld handelt, egal ob es um Arbeit, Umwelt oder Familie geht. Frauenpolitik muss überall stattfinden.
Sie sind in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Was ist im Westen anders?
Ich bin damit aufgewachsen, dass beide Eltern arbeiten gehen. Zu DDR-Zeiten war das üblich - auch wenn es offiziell dabei weniger um die Frage der Gleichstellung ging als darum, dass Frauen ihre Arbeitskraft dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen sollten.
Für mich und meinen Mann ist es selbstverständlich, dass wir beide arbeiten und gemeinsam unseren Sohn erziehen und uns die Arbeit im Haushalt teilen. Doch ich erlebe heute auch, dass es nicht für alle selbstverständlich ist, dass Frauen Familie und Beruf miteinander vereinbaren wollen. Frauen werden eher in Schubladen gepackt, egal für welches Lebensmodell sie sich entscheiden. Eine Frau, die keine Kinder haben will und sich beruflich engagiert, ist die "Karrierefrau".
Eine Frau, die zu Hause bleibt, ist "nur" Hausfrau. Und eine Frau, die beides versucht, ist die "Rabenmutter". Die alleinerziehenden Frauen werden oft bemitleidet, dabei wird nicht akzeptiert, dass dies ja vielleicht auch ein Lebensmodell sein könnte, für das sich Frauen entscheiden, weil sie sagen, ich bin "taff" genug, mein Leben alleine zu gestalten. Ich bin erschrocken, dass über Frauen geurteilt wird, und diese Urteile meistens auch noch von älteren konservativen Herren kommen.
Da geht mir die Hutschnur hoch. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Toleranz gibt, auch mehr Toleranz von Frauen untereinander. Die Union ist in der familienpolitischen Debatte zum Teil erschreckend rückständig und pflegt ein überkommenes Familienbild. Ganz deutlich wird das für mich in der Debatte um das Betreuungsgeld.
Manuela Schwesig ist
Ministerin für Soziales und Gesundheit
in Mecklenburg Vorpommern und
stellvertretende
Vorsitzende der SPD
.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.