Geschichte

Frauen in der SPD: Selbstbewusst in die Politik

Nach der Bundestagswahl 1987 stieg die Zahl der weiblichen Abgeordneten in der SPD-Fraktion sprunghaft an. Eine von ihnen war Barbara Weiler. Aufstrebenden Politikerinnen von heute rät sie: „Nur Mut!“
von Benedikt Dittrich · 6. März 2020
1987 in den Bundestag: Edelgard Buhlman (von links), Barbara Weiler, Rose Götte, Margit Conrad, Monika Ganseforth zusammen mit Fuldas Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld im Oktober 2019.
1987 in den Bundestag: Edelgard Buhlman (von links), Barbara Weiler, Rose Götte, Margit Conrad, Monika Ganseforth zusammen mit Fuldas Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld im Oktober 2019.

Nach der Bundestagswahl im Januar 1987 stieg der Anteil der Frauen im Parlament sprunghaft von zehn auf 15 Prozent. „Schuld" daran waren auch einige SPD-Frauen, eine von ihnen ist Barbara Weiler. Innerhalb der SPD-Fraktion stieg der Frauenanteil um sechs Prozentpunkte von zehn auf 16 Prozent. Zum Vergleich: Aktuell liegt der Frauenanteil im Bundestag bei rund 30 Prozent, in der SPD-Bundestagsfraktion bei knapp 42.

In der Zeit, in der Weilers Interesse für Politik geweckt wird, war die politische Welt noch eine andere, wesentlich männlichere. „Ich bin in einer sehr politischen Familie aufgewachsen“, sagt Barbara Weiler über ihre Kindheit und Jugend. Ihre Mutter sei damals bei den Ostermärschen 1968 schon mitmarschiert, sie als Tochter wurde einfach mitgenommen. „Die Friedensbewegung ist meine politische Heimat“, sagt sie. Deswegen sei die Mitgliedschaft in der SPD klar gewesen. 1970 trat sie in die Partei ein, zusammen mit ihren Schwestern. „Wegen Willy Brandt, aber nicht nur“, sagt sie heute. Es sei ihr thematisch vor allem um Gerechtigkeit und Gleichheit gegangen. Ihr Arbeitsumfeld ist zu dem Zeitpunkt noch ein Industrieunternehmen, als kaufmännische Angestellte.

Willich, Fulda, Bundestag

Die politischen Ämter seien dann irgendwie automatisch gekommen, als sie nach Willich im Kreis Viersen zog, eine Stadt mit damals rund 50.000 Einwohner*innen. Dort wurde sie Bürgervertreterin, später Stadtverordnete. „Der Aufstieg in einer kleineren Stadt ist etwas leichter“, vermutet sie rückblickend. 1985 wird sie Geschäftsführerin der SPD im Kreis Fulda, wo sie heute noch lebt, 1987 wird sie als Abgeordnete in den Bundestag gewählt. Insgesamt acht Jahre sitzt sie im Parlament, vertritt die SPD unter anderem im Ausschuss für Arbeit und Soziales.

Dort „mischte“ sie die alten Herren auf: „Wir waren stark“, sagt sie über die Gruppe der Sozialdemokratinnen, die zusammen die Politik der SPD mitgestalteten. „Das war damals alles noch ein bisschen verschlafen und angestaubt.“ Knapp 30 Frauen, darunter beispielsweise Anke Fuchs, sind damals Mitglied der SPD-Fraktion, von 186 Abgeordneten insgesamt. Auch die spätere Ministerin Edelgard Buhlman gehört zu denjenigen, die 1987 erstmals im Parlament Platz nehmen.

Mit Beharrlichkeit in der Männderdomäne behauptet

Weilers Rat an die Frauen, die sich in die Politik begeben: Einfach ausprobieren, ins kalte Wasser springen. „Nur Mut!“ Sie sei damals zwar auch von manch einem Mann nicht ernst genommen worden, das sei aber eher „hintenrum“ passiert, offen habe sich niemand getraut, etwas gegen sie zu sagen. „Das hat aber vielleicht auch mit meiner Person zu tun.“ Sie sei inhaltlich immer gut vorbereitet gewesen. „Das hat mir meine Mutter schon beigebracht“, sagt sie. Die war Gewerkschafterin. Mit Beharrlichkeit konnte sie sich in der Männerdomäne behaupten. Es sei keine Frage der Kompetenz beim Einstieg. „Man muss nicht vorher immer alles ausrechnen“, sagt Weiler, „sondern sich sagen: ich mach’s einfach.“

Später führte ihr politischer Weg Barbara Weiler noch ins Europaparlament, bevor sie 2014 aus der Politik ausschied. Kontakt zu den starken Frauen in der SPD hält die heute 73-Jährige aber noch – unter anderem zu Buhlman, aber auch zu Sozialdemokratinnen wie Rose Götte, Edith Niehues und Elke Ferner. Nach einem Treffen im vergangenen Jahr sind auch in diesem Jahr weitere gemeinsame Touren geplant. Auch da ist Weiler diejenige, die organisiert, vorbereitet, Vorschläge macht.

Kurs der Parteischule: Frauen an die Macht

Seit 1987 ist der Einfluss der Frauen in der SPD stetig gestiegen. Doch in politisch wichtigen Ämtern dominieren oft noch heute die Männer. „Aber das wollen wir ändern“, sagt Kommunikationsexpertin Deborah Ruggieri. Dafür gibt es seit einigen Jahren das Seminar „Frauen an die Macht“ der Parteischule der SPD. Es richtet sich an Sozialdemokratinnen, die politisch nach mehr streben. Mehr Macht, mehr Einfluss. „Es geht um innere Haltungen“, erklärt Seminarleiterin Ruggieri, „um Schlagfertigkeit, um die Bestimmung der eigenen Position“. Dass Machtbewusstsein und Führungskompetenz traditionell eher Männern zugeschrieben würden, sei ein historischer, schädlicher Irrtum, sagt Ruggieri.

Teilnehmerinnen in ihren Zielen stärken

Denn die Frauen, die die Seminarleiterin bisher vor sich hatte, brachten schon jede Menge Machtbewusstsein und Kompetenz mit. „Die sind so überzeugend“, berichtet sie aus dem Seminaralltag, „das begeistert mich immer wieder“. Den Anspruch, Verantwortung übernehmen zu wollen, bringen sie schon mit. Es gehe vor allem darum, die Teilnehmerinnen in ihren Zielen zu stärken. „Wer Verantwortung übernehmen will, kämpft um Macht und Einfluss“, erklärt Deborah Ruggieri, „und das üben wir.“ In einer gespielten Pressekonferenz trainieren die Genossinnen beispielsweise schlagfertige Reaktionen auf unangenehme Fragen.

Obendrein sind oft auch prominiente SPD-Politikerinnen zu Gast: Umweltministerin Svenja Schulze stand bereits ­Rede und Antwort, Parteivize Klara Gey­witz und die Europaabgeordnete Maria Noichl gaben ebenfalls Tipps. Der positive Nebeneffekt: Die Genossinnen knüpfen Kontakte quer durch Deutschland, es entsteht ein enorm wichtiges Netzwerk. „Oft haben wir vor Ort dieselben Fragen und Probleme“, weiß Teilnehmerin Silke Engler, die inzwischen Bürgermeisterin der hessischen Stadt Baunatal ist. Da sei es hilfreich, sich auszutauschen. Egal, ob es um Rückhalt oder inhaltliche Unterstützung gehe.

Ähnliches sagt die Landtagsabgeordnete Nina Klinkel aus Rheinland-Pfalz: „Sich gegenseitig Mut machen und wissen, dass man eine Echokammer außerhalb des eigenen Wirkungskreises hat, hat mich gestärkt“, betont sie.

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