Ferdinand Lassalle entwickelte die Leitideen der sozialistischen Arbeiterbewegung
Lassalle, geboren 1825, konnte dank seiner bürgerlichen Herkunft in Breslau, Berlin und Paris Geschichte und Philosophie studieren. Er befasste sich zunächst als Wissenschaftler und Publizist
mit der "Arbeiterfrage". Als er am 23. Mai 1863 in Leipzig mit Vertretern von Arbeiterbildungsvereinen den "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" (ADAV) gründete, war das zugleich die Geburtsstunde
eines historisch folgenreichen Bündnisses zwischen sozialkritischen Intellektuellen und organisierter Arbeiterbewegung. So entstand in Europa - anders als in den USA - nicht nur eine
Gewerkschaftsbewegung zur materiellen Interessenvertretung, sondern eine politische Arbeiterbewegung. Als Ideen- und Wertegemeinschaft mit gesamtgesellschaftlichen Zielen wurde sie in Westeuropa zu
einem für den Ausbau des europäischen Sozialstaates entscheidenden politischen und geistig-kulturellen Machtfaktor. Lassalles Grundgedanke, den Kampf für politische Freiheit, Demokratie und soziale
Gerechtigkeit zu verbinden, wurde zu einer Leitidee der gesamten sozialdemokratischen Arbeiterbewegung.
Nur ein reichliches Jahr stand Lassalle an der Spitze des ADAV. Aber seine Initiativen und Ideen wirkten - auch wegen seines frühen Todes - weiterhin mobilisierend. Die charismatische
Ausstrahlung Lassalles wird deutlich im Text der "Arbeiter-Marseillaise": "Der Bahn, der kühnen folgen wir, die uns geführt Lassalle." Sogar sein "Konkurrent" Bebel anerkannte 1873, fast zehn Jahre
nach Lassalles Tod, "dass die Lassalleschen Schriften tatsächlich ... durch ihre populäre Sprache die Grundlage der sozialistischen Anschauungen der Masse bilden."
Von Horst Heimann
Quelle: vorwärts 9/2004