Geschichte

Felix Fechenbach – ein mutiger Kämpfer gegen den rechten Terror

Seinen Mentor Kurt Eisner ermordeten Rechtsradikale 1919 direkt neben ihm. Er wollte die Hintermänner stellen. Dafür rächten sich die Nazis an dem jungen Sozialdemokraten: Am 7. August 1933 ermordeten sie Felix Fechenbach.
von Lothar Pollähne · 8. August 2023
Unmittelbar vor dem Attentat auf Ministerpräsident Kurt Eisner (m.) am 21. Februar 1919: links sein Sekretär Felix Fechenbach, rechts der Büroleiter Eisners.
Unmittelbar vor dem Attentat auf Ministerpräsident Kurt Eisner (m.) am 21. Februar 1919: links sein Sekretär Felix Fechenbach, rechts der Büroleiter Eisners.

Am Vormittag des 21. Februar 1919 gegen 10 Uhr verlässt der Bayrische Ministerpräsident Kurt Eisner seinen Amtssitz, um ins Landtagsgebäude zu gehen. Dort will er nach der verlorenen Wahl den Rücktritt seiner Regierung erklären. Obwohl ihn seine Freunde bitten, den Landtag über einen rückwärtigen Eingang zu betreten, entscheidet sich Eisner für den Gang über die Straße. „Wir gingen zu dreien, rechts der Leiter des Bureaus des Ministerpräsidenten, in der Mitte Eisner, und ich zu seiner Linken“, erinnert sich Eisners Sekretär. „Plötzlich krachen hinter uns schnell nacheinander zwei Schüsse, Eisner schwankt einen Augenblick, er will etwas sprechen, aber die Zunge versagt ihm. Dann bricht er lautlos zusammen.“

Der Sekretär ist 25 Jahre jung, aber bereits eine feste Größe im revolutionären München. Weggefährten beschreiben ihn als fähigen Organisatoren, ausgezeichneten „Pamphletisten“ und mitreißenden Redner. Oskar Maria Graf bezeugt dies in seinen Erinnerungen an den Auftakt der Revolution in München auf der Theresienwiese am 7. November 1918: „Plötzlich schwingt einer neben Kurt Eisner eine rote Fahne und schreit: ‚Genossinnen und Genossen! Wir wollen nicht mehr lange reden! Die Revolution ist da! Wer dafür ist, mir nach, uns nach!‘“ Der „neben Kurt Eisner“ heißt Felix Fechenbach. In diesem historischen Moment ist er der praktische Führer der revolutionären Massen.

Politik als Beruf und Berufung

Geboren wird Felix Fechenbach am 29. Januar 1894 in Mergentheim als zweites Kind einer Bäckersfamilie. Noch im Jahr seiner Geburt zieht die Familie nach Würzburg, wo der Vater eine eigene Bäckerei eröffnet. Felix besucht vier Jahre lang eine jüdische Elementarschule und anschließend eine Realschule, die er jedoch schon 1907 ohne Abschluss verlässt, um eine kaufmännische Ausbildung in einer Schuhwarengroßhandlung zu beginnen. 1910 wird er als Handlungsgehilfe freigesprochen. Auf Anraten seines älteren Bruders Siegbert tritt Felix Fechenbach dem „Zentralverband der Handlungsgehilfen und -gehilfinnen“ bei und kommt so in Kontakt mit der Sozialdemokratie. Seinen ersten Arbeitsplatz in Frankfurt am Main verliert er nach kurzer Zeit, weil er betriebsintern gegen unbezahlte Überstunden protestiert hat.

Nach mehreren Gelegenheitsjobs wird Felix Fechenbach Ende 1912 hauptamtlicher Mitarbeiter des „Arbeitersekretariats“ in München. Sein Bruder Siegbert bestärkt ihn darin, die Politik zum Beruf zu machen. Am 3. Februar 1914 hält Fechenbach auf einer Versammlung in München das Einführungsreferat zur Gründung einer „Jugend-Sektion“ des „Sozialdemokratischen Vereins München“. Der Name „Jungsozialisten“, den Fechenbach in einem Artikel zum ersten Mal erwähnt, lässt sich in der Mutterpartei jedoch noch nicht durchsetzen.

Die Hintermänner des Attentats auf Kurt Eisner

Obwohl er wie viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten entschiedener Kriegsgegner ist und im Frühjahr 1914 sogar eine Antikriegs-Demonstration organisiert, muss Felix Fechenbach im Herbst des Jahres einrücken. Nach einer Verwundung wird er im Febrauar 1915 einer Versorgungseinheit in München zugeteilt. Nebenbei engagiert er sich wieder in der Arbeiterjugend und trifft zum ersten Mal auf Kurt Eisner, der sein radikaler Mentor und väterlicher Freund wird.1917 ist Felix Fechenbach in München an der Gründung der USPD beteiligt. Weil er sich 1918 maßgeblich an der Organisation des Januarstreiks beteiligt, gerät Felix Fechenbach zum ersten Mal ins Visier der Polizei. Ein Kriegsgerichtsverfahren gegen ihn endet im Oktober des Jahres mit einem Freispruch. Da ist die revolutionäre Stimmung in München bereits kurz vor dem Siedepunkt.

Nach der Ermordung seines Vorbilds Kurt Eisner resigniert Felix Fechenbach nicht etwa. sondern verstärkt seine politischen Aktivitäten in der USPD und für die Revolution. Zwei Monate später ist alles vorbei. Rechtsextreme Freicorps liquidieren im Verbund mit Reichswehrverbänden die Münchner Räterepublik. Fechenbach versucht danach, die „Hintermänner“ des Eisner-Attentäters Graf Arco ausfindig zu machen und macht sich so vor allem in Bayern zum Hassobjekt der Rechten. Als er einem Schweizer Journalisten Dokumente zur „Kriegsschuldfrage“ zuspielt, entfachen Rechtsradikale und ihnen nahestehende Medien eine regelrechte Hetzjagd auf Felix Fechenbach. Im „Bayerischen Volksblatt“ heißt es 1921: „Eisner ist tot, aber der Jude Fechenbach läuft noch irgendwo auf seinen Plattfüßen in der Welt herum“. Das Blatt postuliert mit krimineller Energie: „Für den Juden Fechenbach ist in ganz Deutschland kein Galgen hoch genug, um diese Schurkentat zu sühnen.“

Politisch motivierte Zuchthausstrafe

Am 10. August 1922 wird Felix Fechenbach festgenommen und im selben Jahr vom Münchner „Volksgericht“ wegen Landesverrats zu elf Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Reichstag verurteilt der sozialdemokratische Jurist Gustav Radbruch das Urteil mit den Worten: „Voll eitler Geschwätzigkeit, so voll von falschem Pathos, so voll von geschraubter Rabulistik — wie ich noch nie ein Urteil gesehen habe.“ Ende 1924 ist der öffentliche Druck gegen das politisch motivierte Fehlurteil so groß, dass Felix Fechenbach begnadigt wird. Seine bitteren Erfahrungen im Knast veröffentlicht Fechenbach 1925 im „Dietz-Verlag“ unter dem Titel „Im Haus der Freudlosen“.

Felix Fechenbach findet Arbeit als Verlagsredakteur beim „Vorwärts“ und mach sich einen Namen als Verfasser von Sozialreportagen. 1925 schließt sich der überzeugte Verfechter der „Arbeitereinheit“ dem zionistisch-sozialistischen Arbeiterbund „Poale Zion“ an. Im Jahr darauf bereist er Palästina und verfasst für sozialdemokratische Zeitungen begeisterte Reportagen über das „jüdische Palästina“.

„Jung und lebenslustig, aufrichtig und aufrecht“

1926 heiratet Felix Fechenbach die Wohlfahrtspflegerin Irma Epstein. 1927 wird Sohn Kurt, benannt nach Kurt Eisner, geboren. Im Jahr darauf kommt Tochter Lotti zur Welt. Für den Familienvater Fechenbach kommt 1929 die Festanstellung als Redakteur des SPD-Organs „Volksblatt“ in Detmold gerade recht. Mit scharfen Worten schreibt Fechenbach gegen den erstarkenden Nationalsozialismus im Lippischen Lande an. Unter dem Pseudonym „Nazi-Jüsken“ kann er dank einiger Informanten Glossen über Nazi-Interna veröffentlichen. Das trägt ihm den zusätzlichen Hass der Nazis ein. Am 11. März 1933 wird Felix Fechenbach festgenommen und in so genannte Schutzhaft überführt. Am 7. August 1933 beenden die Nazis ihre Hasskampagne und liquidieren Felix Fechenbach während eines Transports ins KZ Dachau im Kleinenberger Wald zwischen Detmold und Warburg.

In einem Nachruf würdigt „Der jüdische Arbeiter“ in Wien Felix Fechenbach am 18. August 1933 mit den Worten: „Die braunen Banditen redeten sich natürlich aus, dass Fechenbach auf der Flucht erschossen wurde. Es konnte aber kein Zweifel bestehen, dass hier ein neuer gemeiner Meuchelmord vorliegt, jung und lebenslustig wie er war, einigeunddreissig Jahre alt, ein aufrichtiger und aufrechter Kämpfer, aktiver Sozialist, Redakteur der soz.-dem. Zeitung in Detmold und treues Mitglied der Poale Zion, wie zahlreich waren die Motive, einen solchen Menschen zu töten.“

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Lothar Pollähne

ist Journalist und stellvertretender Bezirksbürgermeister in Hannover.

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