Zehn, zwanzig, dreißig Pfennig: Der Beitrag für Farbe, Satz und Druckpapier machte die ersten Sozialdemokraten stolz. Das Abo des Parteiblatts war Ehrensache: Aus Arbeitergroschen sammelten
sie Startkapital für eigene Druckereien und Verlage. Denn Gegenöffentlichkeit gab es zu Kaisers Zeiten nicht, Druckaufträge für SPD-Flugblätter und Bücher nahmen bürgerliche Verleger kaum entgegen.
So sind die ersten Zeitungen der SPD nur wenige Monate jünger als sie selbst. Als die Erstausgabe des Vorwärts 1876 erschien, waren seine Vorläufer schon ein Dutzend Jahre alt.
Die SPD wurde - über Treuhänder, weil rechtlich nichts anderes möglich war - als Unternehmerin tätig, weil sie unabhängig sein wollte. Das ist heute nicht anders. Allerdings ist die Zeit
vorbei, in denen Sozialdemokraten nur Parteiblätter abonnieren. Den Wettbewerbsvorteil weit höherer Spendenaufkommen anderer Parteien macht die SPD nicht nur mit Mitgliederbeiträgen wett, sondern
auch mit den Gewinnen ihrer Unternehmen und Beteiligungen, die seit 1971 in der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (dd_vg.) gebündelt sind.
Marktgerechte, politisch unabhängige Produkte
Nicht mehr politische Agitation ist das Ziel, sondern wir nutzen unsere Wirtschaftskraft. Aber sie nutzt auch anderen: Gäbe es unsere Medienholding nicht, wäre die Pressekonzentration längst
viel weiter. Dass die Medienlandschaft noch Spielraum für mittelständische Verlage hat und der Lokaljournalismus nicht nur Monopoly-Spielfeld für Medienmultis ist, liegt auch am stabilisierenden
Einfluss des Langfrist-Investors dd_vg. So sichern wir in der Regionalpresse bewusst ein Stück Meinungsvielfalt.
Niemals war etwas öffentlicher als unser Mediengeschäft. 140 Jahre lang stritten Sozialdemokraten auf Parteitagen und vor aller Augen leidenschaftlich um die politische Ausrichtung ihrer
Blätter, um die beste Rechtsform, um den Umgang mit Werbeflauten, Leserschwund, Lohnkosten, Arbeitszeit und Mitbestimmung. Ebenso kontrovers debattierten Genossen nach der Nazi-Enteignung 1945 den
Wiederaufbau der SPD-Verlage im engen Korsett der Lizenzvergabe der alliierten Militärregierungen. Für Wirbel und Bitterkeit sorgten Verkauf und Schließung vieler Betriebe, bei denen die Sanierung
aussichtslos war. Ar-beitsplätze, Druckereien und Dutzende geliebter Traditionstitel gingen im Zeitungssterben der 60er- und 70er- Jahre verloren oder gingen in "bürgerlichen" Verlagen auf.
Eine reine Erfolgsstory schrieben wir nie. Aber kein SPD-Unternehmen ging je in die Insolvenz. Darauf können wir stolz sein. Fehler haben wir selbst ausgebadet und die Schulden bezahlt. In
den letzten 30 Jahren kostete es dreistellige Millionenbeträge, um die Unternehmensgruppe wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Das funktionierte, weil wir auf marktgerechte Produkte setzen,
die von politischen Gremien unabhängig sind.
Firmen und Beteiligungen nie verheimlicht
Leider ist die Geschichte unserer Medienbeteiligungen auch eine Melange aus Mythos und Märchen, angerührt vom politischen Gegner. Übrigens nicht erst, seit sich CDU/CSU, Welt und Focus auf
uns einschießen und dabei pseudowissenschaftlich von einem Info-Dienst namens MedienTenor munitionieren lassen. Sie setzen nur die Angriffe fort, die es 140 Jahre lang gab, und die Absicht ist
nicht anders als unter Bismarcks Sozialistengesetz oder den Nazis: Zerschlagung, Zwangsverkauf, Enteignung.
Das klingt hart, nennt das Kind aber beim Namen. Denn so grotesk wie unhistorisch ist die Fantasie, eine schwerreiche SPD sei irgendwann einmal mit Säcken voller Geld durch Deutschland
gezogen, um heimlich ein Imperium lukrativer Verlage und Druckereien zu erwerben - und erst Union und einige Enthüllungsjournalisten hätten die Transparenz der SPD-Beteiligungen erzwungen.
Tatsächlich hat die SPD ihre Firmen und Beteiligungen nie verheimlicht. Wir waren stolz darauf und können es auch heute sein. Es gibt aber auch die Verpflichtung, diesen Teil unserer
Geschichte und unserer finanziellen Unabhängigkeit zu verteidigen.
Von Inge Wettig-Danielmeier
Mehr:
www.ddvg.de
Quelle: vorwärts 5/2003
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