Geschichte

„Ein Charakterkopf, den man nicht vergisst“

von Vanessa Jasmin Lemke · 2. Oktober 2013

Ob als deutscher Kennedy oder als Friedenstaube ­– eine Karikaturausstellung in Berlin zeigt den ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt in vielen Facetten.

Anlässlich des 100. Geburtstages von Willy Brandt werden 100 Karikaturen von über 40 Zeichnern im Willy-Brandt-Haus gezeigt. „Willy Brandt ­­– Man hat sich bemüht. Ein großer Deutscher im Spiegel der Karikatur“ ist ein künstlerischer Auszug aus dem Leben eines der größten deutschen Politiker der Nachkriegszeit und zeigt den Nobelpreisträger in entscheidenden Stationen seines Lebens. Mit viel Witz und scharfer Feder stellten zeitgenössische Zeichner den Bürgermeister von Berlin, Kanzlerkandidaten, Außenminister und schließlich Bundeskanzler dar. Auch nach seinem Rücktritt 1974 bis zu seinem Tod 1992 wurde der Sozialdemokrat Brandt immer wieder karikiert.

Selbst ein Befürworter der spöttischen Zeichnungen, war Willy Brandt zwischen den Jahren 1957 bis 1992 immer ein beliebtes Motiv. Gisela Kayser, Geschäftsführerin des Freundeskreis Willy-Brandt-Haus, sagte zur Eröffnung, dass der Grad an Prominenz daran gemessen werden kann, wie oft man karikiert werde. „Karikaturen machen nachdenklich und bringen Aspekte zusammen, was ein Foto nicht kann. Sie haben einen tieferen Einblick in die Geschichte“, sagte Kayser. Der Kurator Helmut G. Schmidt, langjähriger Chefredakteur der SPD-Pressedienste, suchte aus weit über 1000 Bildern, die er deutschlandweit in den Archiven und bei den Künstlern fand, 200 Motive für den Bildband und 100 für die dazugehörige Ausstellung aus. „Die Zeichnungen sind ironisch, spöttisch, sarkastisch, humorig und grotesk, aber bei aller Schärfe auch immer wieder versöhnlich“, sagte Brandt einmal selbst.

Der Popstar Brandt

Was machte Brandt zu einem Phänomen? Der international ausgezeichnete Cartoonist und Illustrator Rainer Ehrt beschreibt ihn als einen „Hitzestoß im Kalten Krieg“, einen Politiker, der den Staub der alten Regierungen von der Demokratie pustete und wie ein deutscher John F. Kennedy auftrat: jung, charismatisch, hoffnungsvoll, aber auch verletzlich und angreifbar. Spätestens seit seinem historischen Kniefall für die Opfer des Warschauer Ghettos im Dezember 1970 sei er nicht nur der „Standardpolitiker, sondern Mensch“, wofür ihn die ganze Welt bewunderte und wofür er auch 1971 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Als „Easy Rider“ im Geiste der 68’er Generation, einen, der besonders bei den jungen Wählern gut ankommt, stellte ihn der Karikaturist Felix Mussil 1972 dar. Man sieht Willy Brandt und den Bundespräsidenten Walter Scheel (FDP) auf einer Harley Davidson. Dahinter steht der kleine erboste CSU-Chef Franz Joseph Srauß und kann die Koalition auch nicht durch sein Jagdgewehr aufhalten.

Diese Gegenfigur zu den anderen Politikern der Zeit war auch ausschlaggebend für den Eintritt in die SPD für Barbara Hendricks, heute Schatzmeisterin der SPD, Abgeordnete des Deutschen Bundestages und Vorsitzende des Freundeskreis Willy-Brandt-Haus. Bei der Eröffnung gab sie einen Abriss über das Leben des Ausnahmepolitikers im Spiegel der Karikatur.

Die Ausstellung

Die Ausstellung und der Katalog zeigen ein Stück deutscher Geschichte auf kritisch ernste, aber auch humorvolle Weise. Sie bringt Geschichte auf den Punkt und wirkt dabei nicht oberflächlich oder langweilig, sondern eröffnet kleine und große Erkenntnisse. „Die Zusammenschau, die Vielfalt von all diesen Ereignissen, die er bewältigt hat – ob siegreich oder in Niederlagen – bringt ein ganz neues Bild von Brandt zustande. Hier spannt man einen großen Bogen über diesen großartigen Politiker und Menschen“, sagte Gisela Kayser. „Das ergibt ein ganz neues Bild.“

Bis 22. Oktober ist die Ausstellung im Willy-Brandt-Haus in Berlin zu besichtigen. Der Eintritt ist frei. Der Katalog zur Ausstellung: „Willy Brandt: Man hat sich bemüht“ Willy Brandt im Spiegel der Karikatur“ ist in der  Helmut Schmidt Medien GmbH erschienen und kostet 24,50 €.

Schlagwörter
Autor*in
Vanessa Jasmin Lemke

war Praktikantin beim vorwärts (2013).

0 Kommentare
Noch keine Kommentare