Geschichte

Ehrlich, verlässlich – und unterschätzt

von Renate Faerber-Husemann · 13. Dezember 2013

Die Nazis hatten aus dem Maurersohn einen Weltbürger wider Willen gemacht. Erich Ollenhauer verkörperte das „bessere Deutschland“ – doch daran wollte in den Aufbaujahren kaum jemand erinnert werden. Am Samstag jährt sich sein Tod zum 50. Mal.

Was ist im Gedächtnis der SPD von ihrem langjährigen Vorsitzenden Erich Ollenhauer geblieben? Nicht all zu viel, obwohl er Partei und Bundestagsfraktion elf Jahre lang führte. Er war engster Weggefährte des rhetorisch brillanten Kurt Schumacher und wurde nach dessen Tod 1952 mit fast 100 Prozent der Stimmen zu dessen Nachfolger gewählt. Er verlor 1953 und 1957 die Bundestagswahlen gegen Adenauer, der ein so begnadeter wie skrupelloser Wahlkämpfer war.

Ollenhauer warb für die Wiedervereinigung, Adenauer konzentrierte sich einseitig auf die Westintegration. Ollenhauer bekannte sich in den frühen 50er Jahren zu Planwirtschaft und Mitbestimmung. Sein Gegner stand für Marktwirtschaft,  das Wirtschaftswunder, großzügige Wahlgeschenke und in der Außenpolitik für schöne Bilder, nach denen die Deutschen damals lechzten. Der SPD-Vorsitzende hatte gegen diesen Kanzler, der die Angst vor der SPD schürte, keine Chance.

Er verkörperte das „bessere Deutschland“

Doch da war noch etwas anderes: Adenauer machte es den Deutschen bequem, weil er sie nicht an ihre Schuld während der Nazizeit erinnerte. Ollenhauer aber war der Emigrant, der Deutschland 1933 verlassen musste, in Prag, Paris und London überlebte und 1946 heimkehrte. Er verkörperte das „bessere Deutschland“ – und daran wollte in jenen Aufbaujahren kaum jemand erinnert werden.

Wer aber war dieser Erich Ollenhauer, der als farblos galt, ein schlechter, umständlicher Redner war, sich schwer tat mit Menschen außerhalb seines sozialdemokratischen Milieus?

Er kam aus einer lupenreinen SPD-Familie in Magdeburg. Sein Vater war Maurer. Schon mit 17 Jahren trat Sohn Erich in die SPD ein und machte rasch eine Funktionärskarriere in der Jugendarbeit. Im Mai 1933 emigrierte er nach Prag, wurde dort die rechte Hand des Parteivorsitzenden Otto Wels und organisierte die Auslandsarbeit der SoPaDe.

1935 floh er aus Deutschland, 1946 kehrte er zurück

1935 wurde ihm die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen, er bekam einen tschechoslowakischen Hilfspass. Nach dem Einmarsch der Deutschen musste er Prag verlassen und floh mit seiner Familie über Polen und Dänemark nach Frankreich. In Paris fand er wie so viele deutsche Sozialdemokraten ein neues Exil. Kurz vor dem Einmarsch der Deutschen wurde er festgenommen, konnte in den unbesetzten Teil Frankreichs fliehen und 1940 – nun ausgestattet mit einem US-amerikanischen Hilfspass – über Spanien nach Lissabon fliehen, wo sich zahlreiche verzweifelte Flüchtlinge trafen und auf ein Schiff hofften. Ollenhauer landete schließlich in London, wo die Spitze der SoPaDe wieder zusammenfand und von der britischen Labour Party großzügig unterstützt wurde.

Im Februar 1946 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete im SPD-Gründungsbüro von Kurt Schumacher in Hannover. Seine zahlreichen internationalen Kontakte halfen in diesen Aufbaujahren. Die Nazis hatten aus dem Maurersohn einen Weltbürger wider Willen gemacht. Sein Organisationstalent und seine von allen Mitstreitern gerühmte Lauterkeit machten ihn bald unverzichtbar, zumal er immer mehr Aufgaben des schwerkranken Kurt Schumacher übernahm, oft über Monate die Partei leitete. Sein größtes Verdienst war wohl, dass er die Reformer um Willy Brandt unterstützte und die programmatische Erneuerung der SPD – die schließlich im Godesberger Programm mündete – vorantrieb.

Am 14. Dezember 1963 starb er in Bonn. Er wurde nur 62 Jahre alt. Die elegante SPD-Parteizentrale in Bonn erhielt seinen Namen.

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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