Geschichte

Der Tag, an dem die Berliner SPD den Grundstein für eine lebendige Partei legte

Vor 70 Jahren trafen sich die West-Berliner Sozialdemokraten zu ihrem ersten Parteitag nach der Ablehnung der Zwangsvereinigung mit der KPD. Damals wurde der Grundstein gelegt für eine lebendige Partei, die Berlin bis heute prägt. Ein Gastbeitrag des Landesvorsitzenden Jan Stöß
von Jan Stöß · 7. April 2016
„Vater“ der wiedergegründeten Berliner SPD: Franz Neumann
„Vater“ der wiedergegründeten Berliner SPD: Franz Neumann

An diesem Donnerstagabend werden viele Berliner Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, aber auch geschichtsbewusste Berlinerinnen und Berliner in den Berliner Südwesten reisen, um in der Aula der 1933 von Sozialdemokraten errichteten Zinnowwaldschule eines bedeutenden Ereignisses zu gedenken:  Des 70. Jahrestags der Weigerung (West-)Berliner SozialdemokratInnen der Zwangsvereinigung mit der KPD zuzustimmen. Ein mutiger und sehr bewusster Moment in unserer Parteigeschichte, weit über die Berliner Landesgrenzen hinaus.

Dass wir uns an diesem Abend zusammenfinden werden, verdanken wir der sehr hartnäckigen Initiative der Zehlendorfer SPD, denn stur und kurzsichtig hat sich das CDU-geführte Bezirksamt dem Wunsch dieses Tages zu gedenken, widersetzt und lange eine würdige Feierstunde verhindert. Erst durch erheblichen öffentlichen Druck kann diese heute Abend, gemeinsam mit den Gesandten der damaligen Westalliierten, stattfinden. Bei dieser Gelegenheit sei die kurze Bemerkung erlaubt:  Das war ein Armutszeugnis für die CDU im Südwesten Berlins.

Die SPD als Dorn im Auge der KPD

Berlin, April 1946: Das waren Schutt und Asche. Armut, Obdachlosigkeit und Überlebende, die schwerst traumatisiert waren. Die Menschen kämpften um das Notwendigste zum Überleben. Doch gerade in dieser Zeit waren es Frauen und Männer, die die Demokratie in unserem Land, in unserer Hauptstadt, wieder auf die Füße helfen wollten. Die nach Jahren der Verfolgung und Repression die frische Luft der politischen Selbstbestimmung atmeten. Genau diese Freiheit war ein Dorn im Auge der sowjetischen Militäradministration und der von ihr gelenkten KPD. Selbstbewusst und mutig widersetzten sie sich diesem Druck und wählte unter dem Vorsitz von Franz Neumann den Weg der Unabhängigkeit. Das Fortleben der Berliner SPD war damit im Westteil der Stadt gesichert.

Was Franz Neumann und viele andere damals erreichten, bildete nach einem blutigen und grausamen Zweiten Weltkrieg das Fundament für unsere heutige Berliner SPD. Ein Landesverband der deutschen Sozialdemokratie, der kaum vielfältiger und meinungsstärker sein könnte. Viele der mehr als 17.000 Mitglieder engagieren sich aktiv. Die JungsozialistInnen liegen hier im stetigen zahlenmäßigen Wettstreit mit den Mitgliedern der AG60 plus. Ein durchaus erfreulicher Zustand, der bundesweit leider nur noch selten zur Normalität gehört. Das hat auch sehr viel mit unserem eigenen Anspruch zu tun, das Mitmachen in der Mitmachpartei tatsächlich zu leben.

Die Berliner SPD ist eine Mitmachpartei

Seit über einem Jahr organisieren wir die verschiedensten Instrumentarien und Möglichkeiten sich in den Wahlprogrammprozess der Berliner SPD einzubringen. Wenn am 27. Mai der Spitzenkandidat Michael Müller aufgestellt und unser Wahlprogramm verabschiedet wird, dann trägt jede Seite des SPD-Wahlprogramms die Handschrift der Mitglieder. Über Programmkonferenzen, die inhaltlichen Ausarbeitungen durch unsere sehr engagierten und kompetenten Arbeitsgemeinschaften, Foren und Fachausschüsse hinaus, waren es die Mitglieder, die bei einer Befragung unter dem Titel „#12Fragen“ entschieden haben, was im Wahlprogramm stehen soll und was nicht.

Am 7. April 1946 wurde für all dies der Grundstein gelegt. Wir als Berliner SPD und ich als ihr Vorsitzender stehen in der Pflicht, dem damals wiederbelebten Anspruch einer lebendigen und zutiefst demokratischen SPD in Berlin gerecht zu werden.

Lesen Sie hier das Protokoll des Parteitags in der Zinnowwaldsschule im Wortlaut.

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Jan Stöß
Jan Stöß

war von 2012 bis 2016 Landesvorsitzender der Berliner SPD.

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