Geschichte

„Der Feind steht rechts“

von Michael Berger · 26. August 2011
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Auftraggeber für den Mord ist die Führung der rechtsradikalen "Organisation Consul" (O.C.). Erzberger hatte sich wegen seiner Friedensbemühungen im und nach dem Ersten Weltkrieg den Hass der politischen Rechten zugezogen. Das Klima der ersten Jahre der Weimarer Republik war durch politische Morde, sogenannte "Fememorde" geprägt. Die Freikorps, rechtsradikale und antidemokratische Organisationen, hervorgegangen aus den Resten der kaiserlichen Frontarmee, hatten dem neuen demokratischen Staat den Kampf angesagt.

"Knallt ab den Walther Rathenau …"
Wer sich damals zu Demokratie und Pazifismus bekannte und das Militär kritisierte, galt als "innerer Feind" und konnte sich seines Lebens nicht mehr sicher sein. Die Hass-Parole lautete: "Verräter verfallen der Feme!" In den Krisenjahren der Republik, von 1919 bis 1923, wurden mehr als 300 Menschen von rechtsradikalen Freikorpskämpfern ermordet. Dies war das Milieu, in dem der Weltkriegsgefreite Adolf Hitler als Redner über den "jüdischen Bolschewismus" seine politische Karriere begann.

Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren der Auftakt: es folgten weitere politische Morde - an Kurt Eisner, Matthias Erzberger und Walther Rathenau. Die radikalen Rechten schmierten es an die Wände Berliner Häuser: "Knallt ab den Walther Rathenau …" Knapp ein Jahr nach dem Attentat auf Erzberger wurde auch der Außenminister der Weimarer Republik Walther Rathenau von Angehörigen der "Organisation Consul" ermordet.

Matthias Erzberger war weder Sozialdemokrat noch Jude, sondern seit 1903 Abgeordneter der katholischen Zentrumspartei. Wie Rathenau galt jedoch auch er bei den Rechten als "Erfüllungspolitiker" und "Totengräber des nationalen Gedankens", weil er sich für einen Verständigungsfrieden eingesetzt hatte und als vehementer Befürworter des Versailler Friedensvertrages galt.

Engagement in katholischen Arbeitervereinen
Geboren wurde Matthias Erzberger am 20. September 1875 im württembergischen Buttenhausen. Nach seiner Schulzeit ließ er sich an dem katholischen Lehrerseminar in Saulgau zum Volksschullehrer ausbilden und arbeitete bis 1896 als Lehrer in Marbach, Göppingen und Stuttgart. Nach einem kurzen Intermezzo als Studierender des Staatsrechtes und der Nationalökonomie wurde Erzberger als Redakteur für das katholische "Deutsche Volksblatt" in Stuttgart tätig.

Zur gleichen Zeit begann sein Engagement in katholischen Arbeitervereinen, der Zentrumspartei und christlichen Gewerkschaften. 1903 wurde er dann als Abgeordneter für das Zentrum in den Reichstag gewählt. Obwohl Matthias Erzberger nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges zunächst für einen "Siegfrieden" eingetreten war, wandelte er sich im Laufe des Krieges zu einem der prominentesten Vertreter des Verständigungsfriedens. Im Juli 1917 stimmte die Mehrheit des Reichstages einer von den Abgeordneten Matthias Erzberger, Eduard David, Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann eingebrachten Friedensresolution zu.

Im Oktober 1918 wurde Erzberger vom neuen Reichskanzler Prinz Max von Baden zum Staatssekretär ohne Geschäftsbereich ernannt. In dieser Funktion unterzeichnete er auf Bitten der Obersten Heeresleitung am 11. November 1918 das Waffenstillstandsabkommen von Compiègne und setzte sich in Folge mit Nachdruck für eine deutsche Zustimmung zum Versailler Friedensvertrag ein.

"Die Kugel, die mich treffen soll.."
Einer von Erzbergers erbittertsten Gegner war der Abgeordnete Karl Helfferich, in der Weimarer Republik einer der führenden Politiker der rechten Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Helfferich wurde durch seine antirepublikanische Propaganda sowie seine Mordaufrufe gegen die sogenannten "Erfüllungspolitiker und Novemberverbrecher" zu einem der prominentesten Vertreter der radikalen Rechten.

Seine Schmähschriften gegen führende Politiker des demokratischen Lagers schufen ein Klima, das letztendlich zu den politischen Morden in den frühen Jahren der Weimarer Republik führte. So verfasste Karl Helfferich 1919 eine Hetzschrift mit dem Titel "Fort mit Erzberger", die den Zentrumspolitiker in den Mittelpunkt der Attentatspläne rechtsradikaler Organisationen rückte.

Bei einem ersten Mordversuch im Januar 1920, verübt von einem Exkadetten namens Oltwig von Hirschfeld, wurde Matthias Erzberger nur leicht verletzt - das Attentat hinterließ bei ihm jedoch einen tiefen Schock. "Die Kugel, die mich treffen soll", vertraute er seiner Tochter Maria an, "ist schon gegossen."

"Der Feind steht rechts"
Seine Vorahnung sollte sich bestätigen. Im Sommer 1921 erteilte die Führung der "Organisation Consul" ihren Mitgliedern Heinrich Tillessen und Heinrich Schulz den Auftrag Erzberger zu ermorden. Tillessen und Schulz folgten dem Opfer wochenlang, bis sich im württembergischen Bad Griesbach die Gelegenheit zu einem Attentat ergab. Die Mörder streckten Matthias Erzberger mit sechs Schüssen nieder und töteten den Schwerverletzten aus nächster Nähe durch zwei Schüsse in den Kopf. Der ihn begleitende Zentrumspolitiker Carl Diez überlebte schwer verwundet.

Der hinterhältige Mord löste bei den Parteien der Mitte, des linken Lagers und den Gewerkschaften Proteste aus. Auch vor der Ermordung Walther Rathenaus im Juni 1922 blies Karl Helfferich erneut zum Angriff. Reichskanzler Joseph Wirth prangerte die Attentate an. "Der Feind steht rechts", rief er im Reichstag und wies mit dem Finger auf das Lager der Deutschnationalen.

Kurz darauf verabschiedete der Reichstag das "Gesetz zum Schutze der Republik". Für die Rechtsprechung bei politischen Straftaten wurde ein eigener Staatsgerichtshof geschaffen. Trotz allem gelang Erzbergers Mördern die Flucht ins Ausland. 1933 von den Nationalsozialisten amnestiert, wurden sie nach dem Krieg zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, 1952 bereits jedoch wieder aus der Haft entlassen.

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