Geschichte

Dem Menschen Willy Brandt näher kommen

von Vanessa Jasmin Lemke · 1. November 2013

Zum 100. Geburtstag von Willy Brandt erscheinen nicht nur viele neue Sachbücher, sondern auch gezeichnete Biographien. Das spannende Leben des Widerstandskämpfers, Berliner Bürgermeisters und Bundeskanzlers wird in zwei zeithistorischen Comics auf verschiedene Weise portraitiert.

„Mit dem zusammen können wir es schaffen“, dachte sich die Historikerin und Autorin Helga Grebing als sie Willy Brandt 1949 das erste Mal begegnete. Damals war sie 19 Jahre alt und Studentin an der Freien Universität in Berlin. Die Sozialdemokratin gestaltete mit dem Illustrator Ansger Lorenz den Sachcomic „Willy Brandt. Eine Comic-Biografie“. Ihnen war es wichtig, dass der Text und die Illustrationen gleichberechtigt sind. „Wir wollten viel erzählen und Willy Brandt in einen Kontext der Geschichte stellen. Wir wollten aber auch Humor zulassen“, sagte Lorenz bei der Präsentation am Donnerstag im Alliiertenmuseum in Berlin. Als Historikerin war es Grebing wichtig, ein schönes, wissenschaftlich fundiertes Geschichtsbuch zu machen. „Am Anfang war die Frage: Welche Instrumente haben wir, um Geschichte zu vermitteln? Die Verstärkung des Wortes wegen der fortlaufend begleitenden Illustrationen steigert auch die Wahrnehmung“, betonte Grebing.

Zwei verschiedene Antworten auf die gleiche Frage

Wie stellt man den Weltbürger Willy Brandt im Comic dar? „Er ist emotionaler und jugendlicher als man denkt. Ein Foto von ihm im Jeanshemd, mit Mandoline und Zigarette hat mich auf die Idee gebracht“, erklärte der Texter Heiner Lünstedt. Zusammen mit der Illustratorin Ingrid Sabisch arbeitete er an der Graphic Novel „Willy Brandt. Sein Leben als Comic“. Sie legten den Fokus ihres Buches auf das Persönliche und Private, das selten fotografiert wurde. „Das voll gepackte Leben Willy Brandts lädt zum Ausschmücken, zum Darstellen ein“, sagte Sabisch.

Das Unsichtbare sichtbar machen

Seit den 1980er Jahren erlebt der zeithistorische Comic als Medium der Geschichtserzählung einen Boom in Deutschland. In vielen anderen Ländern waren Comicnarrationen schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts sehr beliebt. Der Tagesspiegel-Redakteur Lars von Törne gab bei der Präsentation der Brandt-Bücher einen inhaltlichen Abriss zur Geschichte der Graphic Novel. „Es gab schon immer Comics in Deutschland, aber erst seit den „MAUS“-Comics von Cartoonist Art Spiegelman wird dieses Genre ernst genommen“ – Spiegelman erzählt in den „MAUS“-Bänden die Geschichte seines Vaters, eines Auschwitzüberlebenden, und seiner Mutter. Der erste Band in deutscher Übersetzung erschien 1989. Die Comics thematisieren den Holocaust und die Erinnerung der Überlebenden daran. 

Comics, Graphic Novels oder Sachcomics – wie auch immer man die illustrierten Bücher nennt, eins haben sie gemeinsam: sie stellen die Geschichte dar, die nicht auf Fotos festgehalten wurde. Dabei ist der Grad zwischen Fakt und Fiktion sehr schmal und für Gestalter und Leser spannend. Didaktische Intentionen gewinnen dabei immer mehr an Gewicht. Neben den Brandt-Biografien sind auch schon Karl Marx, Anne Frank und Fidel Castro zum zentralen Objekt geworden.

Der Geschichtsdidaktiker und Comicexperte Dr. René Mounajed sieht in den Willy Brandt Comics großes Potenzial für den Unterricht. „Die historisch triftigen Darstellungen und Texte sind ein guter Ansatz, sowohl Schülern als auch Erwachsenen, Willy Brandt mit vielen Facetten in der deutschen Geschichte, z.B. im Widerstand, zu zeigen. Auch der Geschäftsführer der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung Dr. Wolfgang Hoppenstedt sagte, dass es längst überfällig gewesen sei, eine Graphic Novel über Willy Brandt zu veröffentlichen. „Am Ende begreift der Leser den Menschen Brandt.“

Helga Grebing, Ansgar Lorenz: Willy Brandt. Eine Comic-Biografie. 80 Seiten, 15 Euro. ISBN: 978-3-86602-294-2

Ingrid Sabisch, Heiner Lünstedt: Willy Brandt. Sein Leben als Comic. 112 Seiten, 22 Euro. ISBN: 978-3-86873-525-3

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Autor*in
Vanessa Jasmin Lemke

war Praktikantin beim vorwärts (2013).

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