Geschichte

Das Bollwerk

von Die Redaktion · 15. Dezember 2005
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Der Machtverlust der SPD im Reich - ihr Ausscheiden aus der Reichsregierung nach der katastrophalen Wahlniederlage im Juni 1920 - schwächte die Weimarer Demokratie insgesamt. Preußen jedoch, mit immerhin drei Fünfteln der Bevölkerung und des Gebietes des Deutschen Reiches, wurde unter den von den Sozialdemokraten Otto Braun (Ministerpräsident) und Carl Severing (Innenminister) geführten Regierungen zu einem "demokratischen Bollwerk" gegen die Feinde der Demokratie.

Eine Grundlage für die erfolgreiche Stabilisierung der Demokratie in Preußen war die von Carl Severing formulierte Strategie, die SPD müsse sich "soweit irgend möglich an allen Regierungen beteiligen ..., die zur Festigung der demokratischen Republik und der Ausgestaltung der sozialen Gesetzgebung beitragen könnten". Während bei den Reichstagswahlen im Juni 1920 die demokratischen Parteien der Weimarer Koalition ihre Mehrheit verloren, hatten sie diese bei den Landtagswahlen in Preußen im Februar 1920 behauptet. Gestützt auf diese demokratische Mehrheit blieb Otto Braun - abgesehen von einer kurzen Unterbrechung (1921) - bis Juli 1932 Ministerpräsident Preußens.

Die von Sozialdemokraten geführte Regierung Preußens konnte, anders als die bürgerliche Reichsregierung, nach dem Kapp-Putsch gegen illoyale Beamte disziplinarisch vorgehen und wichtige Positionen mit Demokraten besetzen. Unterstützt von der SPD-Fraktion im Landtag legte Innenminister Severing besonderen Wert darauf, dass in den Polizeipräsidien der größeren Städte Sozialdemokraten tätig waren. Allerdings gab es auch in Preußen kaum demokratische Beamte, die mit einer juristischen Ausbildung schon im Kaiserreich eine Verwaltungskarriere machen konnten. Daher war eine Demokratisierung der Verwaltung nur dadurch möglich, dass Leitungspositionen auch mit "Außenseitern" und "politischen Beamten" besetzt wurden.

Die demokratischen Parteien der "Weimarer Koalition", die im Reich schon im Juni 1920 die Mehrheit verloren hatten, gewannen bei den Landtagswahlen in Preußen am 20. Mai 1928 mit 228 von 449 Sitzen wieder die absolute Mehrheit. Mit dieser demokratischen Mehrheit im Landtag konnte die preußische Regierung konsequent gegen die rechtsextremistischen Feinde der Demokratie vorgehen: Sie verbot z.B. die "potenzielle Bürgerkriegsarmee" Stahlhelm, verhängte ein Versammlungs-, Demonstrations- und Uniformverbot gegen extremistische Organisationen, untersagte 1930 allen preußischen Beamten die Mitgliedschaft in NSDAP und KPD.

Bis 1931 wurden die Sturmangriffe der rechts- und linksextremistischen Republikfeinde auf das "Bollwerk Preußen" erfolgreich abgewehrt. Dazu gehörten der Misstrauensantrag von KPD (!) und DNVP gegen die Regierung im Oktober 1930 und die Initiativen des Stahlhelms in den Jahren 1930 und 1931, unterstützt von DNVP, DVP, NSDAP und KPD (!), mit Volksbegehren und Volksentscheid die "marxistische Regierung Preußens" zu stürzen und den Landtag aufzulösen.

Doch bei den Landtagswahlen am 24. April 1932 wurde die Demokratie auch in Preußen faktisch besiegt: Die Regierung Braun-Severing verlor ihre parlamentarische Mehrheit, NSDAP (von 2,9 Prozent im Jahr 1928 auf 36,3 Prozent) und KPD gewannen zusammen die absolute Mehrheit der Sitze. Endgültig wurde das "demokratische Bollwerk" jedoch erst durch den so genannten Preußenschlag ausgeschaltet. Bei diesem Staatsstreich am 20. Juli 1932 setzte Reichskanzler von Papen die preußische Regierung ab und unterstellte die Polizei der Reichswehr. Es gab keine Chance mehr, die Demokratie sowohl gegen die große Mehrheit des Volkes - nur noch 21,2 Prozent hatten die SPD gewählt - als auch gegen eine überlegene bewaffnete Macht (Reichswehr, Stahlhelm, SA erfolgreich) zu verteidigen.

Von Horst Heimann

Quelle: vorwärts 5/2004

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