Wie ein roter Faden zieht sich ein Thema durch die Gespräche: Man lässt sich nicht gehen. Nicht heute, wenn die Gebrechen des Alters einen plagen, und früher auch nicht - als der Liebste in
den Krieg geht oder der kleine Sohn im Februar 1945 stirbt. Ob das eine Verletzung hinterlassen habe, fragt Reinhold Beckmann. "Nein," antwortet Loki Schmidt und nach zwei weiteren Nachfragen:
"Das ist ein Erlebnis, das man nicht auslöschen kann, das man aber einsortiert." Das klingt distanziert, fast hart, wäre da nicht dieses "man", das zeigt: Es schmerzt eben doch und immer noch.
Aber was hätte es genützt, sich gehen zu lassen? So ist sie, die Generation, deren Lebenszeit sich ihrem Ende zuneigt. Sie sei voller Gefühle, sagt Loki Schmidt, aber sie sei immer ein
vernünftiger Mensch gewesen.
Fast ein Jahrhundert lässt dieses Buch Revue passieren. Es hat anrührende Passagen, wie die über einen Besuch bei dem an Alzheimer erkrankten Herbert Wehner. Lustige, wie die Geschichte der
Gänse, die 1944 in Bernau bei Berlin die Treppe hoch in die Wohnung hüpften und watschelten, wenn Helmut Schmidt Klavier spielte. Es handelt von der Freundschaft und dann der Liebe zu ihrem Mann,
die schon im Teenageralter begann: "Wir haben uns über Gott und die Welt unterhalten, und das ist ja wohl eine Grundlage für eine Freundschaft. Den ersten Kuss habe ich - glaube ich - gekriegt,
als mein Mann fünfzehn war."
Es klammert auch das letzte Thema, das eigene Sterben, nicht aus. "Ich bin wirklich der Meinung, dass man sich, weil man aus vielen Atomen und Molekülen besteht, in all die Bestandteile
auflöst, und Mutter Natur setzt alles neu zusammen. Man verschwindet körperlich nicht. Man lebt in einer völlig anderen Weise oder bleibt der Erde auf eine völlig andere Weise erhalten."
Eigentlich eine schöne Vorstellung.
Loki Schmidt, Reinhold Beckmann: Erzähl doch mal von früher.
Hoffman und Campe Verlag, Hamburg 2008, 272 Seiten, viele Fotos, 19,95 Euro,
ISBN 978-3-455-50094-3