Sozialdemokraten gibt es in Bayern schon seit den 1860er Jahren, doch eine landesweite Organisation entsteht erst 1892, genauer am 26. Juni 1892. An diesem Tag treffen sich 70 Delegierte aus ganz Bayern in Reinhausen bei Regensburg. Es ist die Geburtsstunde der bayerischen SPD.
Wie überall in Deutschland hatten sich den 1860er Jahren in den Städten Arbeitervereine gebildet. Im bäuerlichen, katholisch-konservativen Bayern war es jedoch schwierig, eine Lehre zu verbreiten, die mit Preußen und Protestantismus verbunden wurde und im Ruch des Umsturzes stand. Bis 1878 war die Sozialdemokratie dennoch so stark in Bayern verwurzelt, dass sie sich auch durch Bismarcks „Gesetz wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ nicht mehr verhindern ließ.
Das erste Reichstagsmandat
Die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), Vorläufer der SPD, war nun zwar offiziell im Deutschen Reich verboten, doch die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten behielten ihre Mandate und konnten auch weiter gewählt werden. Der Grund: Beim Persönlichkeitswahlrecht spielt die Partei keine Rolle. So errang in Nürnberg Karl Grillenberger 1881 als erster bayerischer Sozialdemokrat ein Reichstagsmandat. Bei den Reichstagswahlen im Februar 1890 schaffen dies sogar drei Genossen: Georg Birk und Georg von Vollmar für München und erneut Grillenberger für Nürnberg. Im Reich ist die SAP nun mit 19,7 Prozent die an Stimmen stärkste Partei, in Bayern kommt sie auf 13,9 Prozent der Stimmen – trotz eines Wahlrechts, dass die meisten Menschen ausschließt, wie zum Beispiel Frauen und alle unter 25-Jährigen.
So ist die Ausgangsposition für den Aufbau einer Parteiorganisation ziemlich gut, als im Oktober 1890 das Sozialistengesetz fällt. Es kristallisieren sich zwei inoffizielle „Bezirke“ heraus mit Zentren in Nürnberg (Nordbayern) und München (Südbayern). Inoffiziell deshalb, weil das Vereinsgesetz von 1850 noch immer gilt, dass lokale politische Vereine gestattet, landesweite Organisationen aber verbietet. Allerdings wird es nun nicht mehr konsequent umgesetzt. Mit Schikanen versuchen die Behörden jedoch weiter, politische Versammlungen der Genossen zu verhindern oder zu stören.
Schikanen der Behörden
Im September 1891 regt eine Delegiertenkonferenz in Nordbayern einen Landesparteitag an. Im Oktober 1891 am Rande des Erfurter Reichsparteitags beschließen die bayerischen Delegierten die Einberufung eines ersten gesamtbayerischen Parteitags. Als Ort wird Regensburg ausgewählt. Die Nürnberger Genossen übernehmen die Organisation.
Doch die stellt sich alles andere als leicht dar. Denn die Behörden verhindern, dass in Regensburg ein passender Saal gemietet werden kann. Wirten, die Sozialdemokraten einen Saal vermieten könnten, wird mit Entzug der Konzession gedroht. Erst in Reinhausen, einem Vorort, findet sich der Saal der Brauerei Schrödl. Die Einladung zum „1. Bairischen Parteitag“ erfolgt am 24. April 1892. Auf der Tagesordnung stehen „Die Tätigkeit des Bayerischen Landtages und die Wahlen zu demselben im Jahre 1893“ sowie „Agitation und Organisation“.
Aus ganz Bayern finden sich 70 Delegierte in Reinhausen ein. Sie beschließen die Teilnahme der SPD an den Landtagswahlen und verabschieden ein umfangreiches Wahlprogramm, das sich vornehmlich mit Landespolitik beschäftigt. Ein Vorstand wird nicht gewählt – das gestattet das Vereinsgesetz nicht. Unausgesprochen steht jedoch von Vollmar an der Spitze der bayerischen SPD. Nach der erfolgreichen Landtagswahl, in der fünf Genossen der Einzug ins Parlament gelingt, gilt die Landtagsfraktion als Landesvorstand. Es sind neben Georg von Vollmar und Karl Grillenberger, Gabriel Löwenstein, Franz Joseph Ehrhart und Johann Scherm.